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Die narzisstische Gesellschaft

Die narzisstische Gesellschaft

Titel: Die narzisstische Gesellschaft
Autoren: Hans-Joachim Maaz
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Kompetenz und das ehrliche Eingeständnis prinzipieller Ratlosigkeit und Hilflosigkeit, die komplexe Krise verstehen und «managen» zu können. Es wären mutige Visionen und Experimente gefordert, um neue Gesellschaftsstrukturen zu finden und zu gestalten. Das allein würde schon die mühevoll aufgebaute narzisstische Kompensation erschüttern. Dazu kämen die feindselige Kritik und schadenfrohe Häme seitens der politischen Gegner sowie die berechtigte Angst, das Wählermandat zu verlieren samt aller damit verbundenen finanziellen Entschädigungen und sozialen Privilegien. Eine Ursachenbekämpfung – wie die Kanzlerin sie immer wieder behauptet – ist praktisch undenkbar, sie käme einer Selbstabwahl gleich.
    Das kapitalistische System wird von narzisstischen Kompensationsprozessen beherrscht und müsste tatsächlich ursächlich verändert werden; die in die Fehlentwicklung involvierten Regierungen sind nicht mehr imstande, das zu leisten. Aber auch die Menschen gehen bislang meistens nur auf die Straße, wenn es um ihr Einkommen geht, nicht aber, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Selbst die Greenpeace-, Attac- und Occupy-Proteste verebben bislang noch und werden wohl erst dann Massenzulauf bekommen und politische Wirkung zeigen, wenn etwa die Inflation den meisten Menschen das Geld nimmt, das sie zur süchtigen Kompensation ihrer narzisstischen Defizite so dringend brauchen. Einsicht und Vernunft allein aktivieren keine Massenbewegung.
    Was ist unsere Demokratie noch wert, wenn die Spekulanten der Finanzwirtschaft über die gesellschaftliche Entwicklung entscheiden? Wenn bloße spekulative Bewertungen an der Börse die reale und redliche Arbeit von Millionen Menschen rein virtuell vernichten können, sind wir gesellschaftlich auf dem Niveau eines Spielcasinos angekommen. Und wer sind die Märkte, die die Politiker vor sich herjagen, weshalb ist die reale Macht an irrationale Prozesse abgegeben worden? Meine Antwort lautet: Wenn selbstwertgestörte Menschen in die Politik gehen, um ihr narzisstisches Defizit durch Macht aufzuwerten, sind sie nicht ihrer selbst mächtig, sondern gejagt vom Erfolgszwang, der ihnen von außen diktiert wird. Und dort entfalten vor allem die versammelten Kräfte narzisstisch begründeter Gier ihre Wirkungsmacht, um dem Mangel an Selbstwert ein «goldenes» Kostüm zu schneidern.
    Der ehemalige
Spiegel
-Chef Stefan Aust brachte mit seinem Film «Die Falle 9 / 11  – ein Tag, der die Welt veränderte» (am 4 . September 2011 in der ARD ausgestrahlt) das narzisstische Problem der amerikanischen Führung unter Präsident Bush auf den Punkt. Mit den terroristischen Verbrechen des 11 . September 2001 wurden die USA zentral in den Symbolen ihrer wirtschaftlichen (World Trade Center) und militärischen (Pentagon) Macht getroffen; das war nicht nur mit bittersten individuellen Verlusten verbunden, sondern bedeutete auch eine schwerwiegende narzisstische Kränkung der USA . Der Film von Stefan Aust zeigte auf, wie die USA dadurch in eine Falle geraten sind, indem sie sich im Kampf gegen den Terrorismus, im Irak- und Afghanistankrieg wirtschaftlich und moralisch ruinieren. Letztlich besteht die Falle darin, auf die erlebte Kränkung mit narzisstischer Aggression und das heißt im Grunde genommen mit irrationaler Rache zu antworten. So fließen in politische Entscheidungen offenbar ganz persönliche, narzisstisch motivierte Bedürfnisse ein; selbst vor Lügen wird nicht zurückgeschreckt, um einen Krieg beginnen zu können.
    Die USA haben sich provozieren lassen und Verbrechen mit Verbrechen beantwortet. Die Achillesferse westlicher Führer ist der Narzissmus! Reife Persönlichkeiten ohne narzisstische Störung würden Verbrechen mit rechtsstaatlichen Mitteln verfolgen und ahnden, zugleich aber die Ursachen des Terrorismus analysieren und dabei eigene schuldige Anteile identifizieren und korrigieren. Angemessene Lösungen lassen sich ausschließlich auf dem Weg von Analyse, Verstehen, Kommunikation sowie eigener Veränderungen finden. Konflikte mit Waffengewalt bewältigen zu wollen, führt nie zu guten Lösungen, insbesondere wenn in die Aggression narzisstische Kränkungswut einfließt und die unangemessene Reaktion neue Verletzungen schafft. Die Spirale der Gewalt lässt sich nur über Kommunikation, Verhandeln und gerechten Ausgleich stoppen. Eine zentrale Aufgabe für die Entwicklung unserer Demokratie wäre ein Wahlverfahren, das narzisstisch gestörte Persönlichkeiten auf
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