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Die Narrenburg

Die Narrenburg

Titel: Die Narrenburg
Autoren: Adalbert Stifter
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sich, als wäre Alles in Finsterniß eingemauert. Hinter den Trümmern des Julianhauses waren die Stallungen; ich warf meinem Knechte die Zügel des Rappen zu, empfahl ihm das treue Thier, und ging durch die Eichen gegen das Parthenon, aber da ich an dem Flügel des alten Sixtusbaues vorbeikam, in dem mein Bruder wohnte, und da ich Licht sah, ging ich hinein, um ihn zu grüßen. Das Thor des Gebäudes stand offen, die Thür zu seinen Gemächern war nicht gesperrt, sein Diener schlief auf einem Stuhle im Vorsaale, aber Sixtus war nicht zu Hause. Ich ging wieder weiter - durch die schönen Gesträuche Chelions ging ich. - - An den weißen langen Säulen meines Hauses leckten die immer häufiger werdenden Blitze hinan - da wars, als gleite eine Gestalt schattenhaft längs dem Corridor: »Sixtus,« schrie ich, aber das Wesen sprang mit einem furchtbaren Satze herab, und seitwärts ins Gebüsche. - Mir war, als klapperten mir die Zähne, und ich eilte weiter. Die Lawine hing nun - der feinste Hauch konnte sie stürzen machen - und er blieb auch nicht aus, dieser Hauch: von der allzeit fertigen Zunge eines Weibes kam er; Bertha war es, die Braut Ruprechts, die Dienerin meiner Gattin. Sie stand unbegreiflicher Weise in tiefer Nacht vor dem Thore des Parthenon, und da sie meiner ansichtig wurde, stieß sie im Todesschreck heraus, was sie wahrscheinlich um den Preis ihres Lebens gerne verschwiegen hätte: »Graf Sixtus ist bei eurem Weibe.«
    Ich ergriff das Gespenst bei dem Arme, um zu sehen, ob es Leben habe. »Es ist nicht wahr, Satan,« schrie ich, und schleuderte das unselige Geschöpf mit meiner Hand rücklings in das Gesträuch, daß sie kreischte; ich aber ging durch das bloß eingeklinkte Thor hinein, und schloß es hinter mir ab. Das Thor aber sollte nach meinem Befehle jedesmal bei Einbruch der Nacht geschlossen sein - heute war es offen gestanden. Sachte, daß kein Fußtritt schalle, ging ich durch den Gang längs der Gemächer meiner Diener zu dem zweiten Thore des Gebäudes, um mich zu versichern, ob es gesperrt sei, - es war zu. Ich zog den innen steckenden Schlüßel ab, und ging dann eben so leise auf mein Zimmer. Dort stand ich mitten auf der Diele des Bodens - und stand eine Weile. Dann that ich leere Gänge im Zimmer, und unnütze Dinge. - - Es lebte ein alter weiser Mann, bei dem ich einmal gelernt hatte, als ich noch mein Heil im Wissen suchte; er war in der Scheidekunst weiter, als alle seine Genossen. - Möge nie wieder erfunden werden, was er erfand, und geheim hielt: ein klares, schönes, helles Wasser ist es. Er erhielt es aus dem Blute der Thiere - aber nur ein Zehntheil eines Tropfens auf die Zunge eines lebenden Wesens gebracht, ja nur sanft damit die Lippen befeuchtet, macht, daß augenblicklicher, süßer, seliger Tod die Sinne umnebelt, und das Wesen rettungslos verloren ist. Wir hatten es einmal an einem Kaninchen versucht - ich erinnerte mich, wie es damals, als sein Zünglein damit befeuchtet ward, das Haupt mit allen Zeichen des Wohlbehagens seitwärts lehnte und verschied. In einem silbernen Schreine hatte ich ein Theil. Ich nahm das Kristallfläschchen hervor - und hell und klar, wie von einem Bergquelle, und prächtig, wie hundert Diamanten funkelte das Naß im Lichte meiner Lampe.
    Um den innerlichen Frost zu vertreiben, ging ich einige Male in der Stube auf und ab.
    Dann trat ich zu der stummen, mit Tuch überzogenen Thür meiner Seitenwand, öffnete sie, und ging in den Gang, der zu Chelions Zimmern führte. Aus dem letzten Gemache, worin sie schlief, floß mir ein sanftes Lampenlicht entgegen - alle Thüren standen offen, und durch die hohen Glaswände, die den Gang von dem indischen Garten trennten, schimmerten zeitweise die lautlosen Blitze des Himmels.
    Schläft sie?
    Ich ging weiter - durch alle Zimmer ging ich, bis in das letzte. Ich trat näher - ein schwaches Rauschen schreckte mich - es war aber nur einer ihrer Goldfasane, der sich entweder bei ihr verspätet hatte und entschlummerte, oder der bei der ein wenig offenen Gartenthüre hereingekommen war. - Warum blieb sie offen? warum gerade heute? - Fast ein Mitleid wollte mich beschleichen: Also so unerfahren seid ihr Beide im Verbrechen, daß euch nicht beikam, selbst die geringste Spur desselben zu vertilgen?! Der Fasan scheute mich, und schlüpfte sachte bei der Spalte hinaus. - - Und da er fort war, wünschte ich ihn wieder zurück, das schöne, heimliche, goldglänzende Thier; denn ich fürchtete mich allein im Zimmer,
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