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Die namenlose Schoene

Die namenlose Schoene

Titel: Die namenlose Schoene
Autoren: Karen Rose Smith
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ab, sondern stieg aus und kam um den Wagen herum.
    „Müssen Sie nicht wieder ins Büro?” fragte sie.
    „Ich habe so viele Überstunden gemacht, dass ich heute Nachmittag frei habe, sofern ich nicht gerufen werde.”
    „Ich möchte aber nicht, dass Sie unnötig Zeit mit Warten verlieren. Ich komme schon allein nach Hause … ich meine, zu Ihrem Haus.” Tuckers Haus wurde für sie allmählich zu ihrem Zuhause, und das war gefährlich.
    „Zerbrechen Sie sich wegen meiner Zeit nicht den Kopf. Ich lese einfach die letzten Zeitschriften”, fügte er lächelnd hinzu.
    Emma lachte. Gelegentlich gab Tucker sich lockerer. Vielleicht war er früher stets so gewesen. Auch das wollte sie herausfinden. Sie nahm es sich vor, während sie das Haus betraten und ihre Arme sich kurz berührten. Sogar dieser harmlose Kontakt reichte aus, dass sie sich zu ihm hingezogen und sich ganz als Frau fühlte.
    Im Vorraum des Arztes half Tucker ihr aus dem dunkelblauen Mantel und hängte ihn auf. Quentins Frau Dana McCormack hatte ihr den Mantel geschenkt, als es kälter wurde. Emma besaß nur noch die Sachen, die sie am Abend des Überfalls am Leib getragen hatte. Hannah und Dana hatten fast ihre Größe und ha tten sie deshalb mit Kleidungsstücken versorgt. Trotzdem hätte sie gern gearbeitet und eigenes Geld verdient.
    Die freiwillige Tätigkeit in der Kindertagesstätte machte ihr Freude, doch sie fiel nicht gern anderen Menschen zur Last.
    Tucker hängte den Hut auf einen Haken und strich sich durch das Haar. Es war so dicht, dass Emma selbst gern hindurchgestrichen hätte und …
    Sie unterdrückte den Gedanken, ging an den Empfangsschalter und meldete sich an. Tucker setzte sich, griff nach einer Zeitschrift, öffnete den Reißverschluss der Jacke, zog sie jedoch nicht aus.
    Kaum hatte Emma sich zu ihm gesetzt, als sich die Tür zum Sprechzimmer öffnete und die Schwester sie aufrief. Sie folgte der Frau in Weiß in einen Untersuchungsraum, in dem ihr eine Helferin den Blutdruck maß und dann erklärte, der Arzt würde gleich kommen.
    Dr. Weisensale trat strahlend lächelnd ein. „Wie geht es Ihnen heute?”
    Der väterliche Mann mit dem weißen Haar und dem fast weißen Bart hatte sie von Anfang an freundlich behandelt. „Ich bin frustriert. Ohne mein Gedächtnis kann ich mein Leben nicht weiterführen. Wie wäre es mit Hypnose?”
    Dr. Weisensale betrachtete sie nachdenklich. „Sind vielleicht weitere Bruchstücke Ihrer Erinnerung zurückgekehrt?”
    Sie hatte ihm am Telefon berichtet, dass sie sic h daran erinnerte, Babykleidung auf eine Wäscheleine gehängt zu haben. „Nein, nicht mehr seit meinem Anruf.”
    „Haben Sie denn manchmal das Gefühl, sich an etwas zu erinnern? An Ihren Familiennamen? Ihre Herkunft? Taucht das allmählich wieder auf?”
    „Manchmal, vor allem, wenn ich in der Kinderkrippe bei den Zwillingen bin. Das ist ja so verwirrend. Ich weiß, dass ich nicht Mutter bin. Vielleicht war ich Kindermädchen. Die Arbeit mit Kindern fällt mir unglaublich leicht.”
    „Emma, für Amnesie gibt es körperliche und auch andere Gründe.”
    „Das haben Sie bereits erwähnt.”
    „Ihre Tests sind eindeutig ausgefallen. Überlegen Sie bitte etwas.
    Manchmal wird eine Amnesie durch ein Trauma aus gelöst. Ich meine, dass Sie vielleicht ein Leben führten, an das Sie sich nicht erinnern möchten. Das behaupte ich nicht”, fuhr er fort, als er ihr ansah, wie betroffen sie war. „Doch Sie sollten darüber nachdenken.”
    „Ich will mich ja an alles erinnern, Herr Doktor.”
    „Das glauben Sie”, erklärte er freundlich, „aber Ihr Unterbewusstsein könnte ganz anders reagieren. Es ist allerdings ein gutes Zeichen, dass Ihnen überhaupt etwas eingefallen ist. Mir wäre es lieber, wenn wir mit der Hypnose noch einen oder zwei Monate warten. Ich weiß, dass das für Sie sehr frustrierend ist, aber üben Sie sich in Geduld. Es ist eindeutig besser, Ihr Gedächtnis kehrt von allein zurück.”
    „Und was ist, wenn ich mich gar nicht erinnere? Ich brauche ein eigenes Leben, und ich kann keines haben ohne Sozialversicherungsnummer!” Das mochte albern klingen, stimmte aber. Ohne diese Nummer konnte sie nicht arbeiten. Sie wusste nicht einmal, ob sie ohne die Nummer den Führerschein machen durfte.
    „Bestimmt gelten Ausnahmeregelungen, falls die Amnesie anhält.”
    „Ich möchte anderen Menschen nicht zur Last fallen, Herr Doktor.

    Zuerst hat mich Tante Gertie bei sich aufgenommen, jetzt Tucker. Das ist
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