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Die nächste Begegnung

Die nächste Begegnung

Titel: Die nächste Begegnung
Autoren: Arthur C. Clarke
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Vater und ich wollten diese Gelegenheit benutzen und dich an die andere Hälfte deines Erbes erinnern. Du bist Französin und hast dein ganzes bisheriges Leben in Frankreich verbracht, aber ein Teil von dir ist reinblütig senoufo, und du hast Wurzeln, die tief in die alten westafrikanischen Stammesbräuche zurückreichen.
    Heute früh, als ich mich an diese >Danses Ivoiriennes< erinnerte, die meine Großcousine und ihre Kollegen damals aufführten, stellte ich mir kurz vor, wie ich mit meiner zehn Jahre alten Tochter Simone an der Seite in ein schönes Theater trete — dann verschwand das Wunschbild. Es gibt jenseits der Jupiterbahn keine Theater. Und höchstwahrscheinlich wird der Begriff >Theater< für meine Tochter nie irgendwie Realität sein. Es ist sehr bestürzend, das alles.
    Zum Teil heulte ich heute Morgen auch deshalb, weil Simone niemals ihre Großeltern kennen lernen kann — und umgekehrt. Sie werden in Simones Lebenstextur zu Mythengestalten werden, und sie wird sie nur von Fotos oder Videos >kennen<. Sie wird nie die Freude genießen, die unglaubliche Stimme meiner Mutter zu hören. Und sie wird nie die behutsame, zärtliche Liebe in den Augen meines Vaters sehen.
    Als Mutter gestorben war, gab sich mein Vater besonders große Mühe, jeden meiner Geburtstage zu etwas ganz Besonderem zu machen. An meinem zwölften, wir waren gerade erst in die Villa in Beauvois umgezogen, wanderte er mit mir durch den fallenden Schnee in den sauber gestutzten Gartenanlagen des Chateau de Villandry. An diesem Tag versprach er mir, er würde immer bei mir sein, wenn ich ihn brauchte. Ich umklammerte fest seine Hand, während wir durch die Heckenpassagen gingen. Außerdem habe ich damals auch geheult und ihm gestanden (und vor allem mir selbst), welch grässliche Angst ich davor hatte, dass auch er mich verlassen könnte. Und er drückte mich an seine Brust und küsste mich auf die Stirn. Er hat sein Versprechen nie gebrochen.
    Und erst letztes Jahr — jetzt erscheint mir das wie in einem anderen Leben — begann mein Geburtstag in einem Ski-Zug dicht an der französischen Grenze. Um Mitternacht schlief ich noch immer nicht, sondern durchlebte noch einmal diese mittägliche Begegnung mit Hen ry in seinem Chalet am Hang unter dem Weissfluhjoch. Als er indirekt danach fragte, hatte ich ihm nicht gesagt, dass er Genevieves Vater war. Ich wollte ihm diesen Triumph nicht gönnen.
    Ich erinnere mich aber, dass ich mir im Zug Gedanken machte: Ist es anständig, deiner Tochter die Tatsache vorzuenthalten, dass ihr Vater jetzt der englische König ist? Ist dein Stolz, dein Selbstwertgefühl so wichtig? Ist es gerechtfertigt, dem Mädchen zu verschweigen, dass es eine Prinzessin ist? Ich stocherte in diesen Problemen herum, starrte blind durch das Zugfenster, als wie auf ein Stichwort hin Genevieve an meinem Bett erschien. »Alles Gute zum Geburtstag, Mami«, sagte sie und grinste. Dann umarmte sie mich heftig. Da hätte ich ihr fast gesagt, wer ihr Vater ist. Ich bin ziemlich sicher, ich hätte es getan, wenn ich gewusst hätte, was mit unserer Newton- Expedition passieren würde. Du fehlst mir, Genevieve. Und ich wollte, wir hätten uns richtig verabschieden können.
    Erinnerungen sind etwas recht Merkwürdiges. Heute früh bestärkten mich die Bilderfluten von meinen früheren Geburtstagen in meinem depressiven Gefühl der Isolation und des Verlusts. Aber jetzt, wo ich mich wieder stabiler fühle, genieße ich genau die gleichen Erinnerungen geradezu. Ich bin in diesem Moment nicht mehr traurig, weil Simone nicht die gleichen Erfahrungen machen kann, wie ich sie hatte. Ihre Geburtstage werden völlig anders sein als meine und von einmaliger Bedeutung nur für ihr Leben. Und ich habe das Privileg und die Pflicht, sie für sie so mit Liebe vollzupacken und erinnerungsträchtig zu machen, wie ich nur kann.

    3
    26-05-2201
    Vor fünf Stunden setzte in Rama eine Se ri e von außerordentlichen Geschehnissen ein. Wir saßen gerade beisammen und verzehrten unser Abendessen — Roastbeef, Kartoffeln und Salat ... wir haben uns für jede chemische Zusammensetzung, die wir von den Ramanern erhalten, Code-Bezeichnungen ausgedacht, um uns zu der Illusion zu verführen, dass unser Fraß »köstlich< schmeckt. Die Code-Namen beziehen sich mehr oder weniger auf den Nahrungsgehalt unserer >Gerichte< — so ist etwa unser >Roastbeef< sehr proteinreich, die >Kartoffeln< sind überwiegend Kohlenhydrate usw. Dann hörten wir plötzlich ein
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