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Die nächste Begegnung

Die nächste Begegnung

Titel: Die nächste Begegnung
Autoren: Arthur C. Clarke
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auch diese Mini-Kettensäge), von denen sie dachten, dass sie uns bei der Vervollkommnung unserer Wohnungseinrichtung nützlich werden konnten.
    Von da an arbeiteten Richard und Michael unablässig — bis zur Geburt von Simone. Dank der chemischen Informationsdaten aus dem Zentralspeicher war es jetzt einfacher, bei den Ramanern zu bestellen, was wir brauchten. Ich experimentierte sogar mit harmlosen Estern und andren einfachen organischen Stoffen, die ich über unser Essen streute, was in der Tat zu einer gewissen Geschmacksverbesserung führte. Michael baute sich sein Zimmer fertig. Simones Wiege wurde gebastelt und Bad und Toilette unendlich verbessert. Trotz aller Beschränkungen sind unsere Lebensumstände inzwischen recht annehmbar geworden. Vielleicht bald schon ...
doch, hör und lausche ! Von meiner Seite dringt ein leises Klagen. Zeit, meine Kleine zu füttern.
    Bevor die letzten dreißig Minuten meines Geburtstags ebenfalls Geschichte sind, möchte ich noch einmal diese lebhaften Bilder meiner früheren Geburtstage heraufbeschwören, die meine Depression heute Morgen so katalytisch beeinflussten. Mein Geburtstag war für mich schon immer das bedeutendste Ereignis des ganzen Jahres. Die Zeitspanne zwischen Weihnachten und Neujahr ist etwas Besonderes, aber auf andere Art, denn da feiern ja alle Leute. Der eigene Geburtstag dagegen kreist eben direkt um uns als Individuum. Ich habe meinen Geburtstag immer dazu benutzt, Bilanz zu ziehen und über den weiteren Verlauf meines Lebens nachzudenken.
    Wenn ich mir Mühe gäbe, ich könnte mich wahrscheinlich an Einzelheiten von jedem meiner Geburtstage erinnern, seit ich fünf Jahre alt war. Aber natürlich sind manche Erinnerungen schärfer als andere. Heute früh riefen viele der Erinnerungen an die früheren Feiern starke Nostalgiegefühle, eine heftige Sehnsucht nach meiner Heimat, in mir herauf. Depressiv, wie ich war, haderte ich mit mir und gegen meine Unfähigkeit, Simone ein ordentliches, gesichertes Leben aufzubauen. Doch selbst auf dem Tiefstpunkt der Depression und angesichts der Erkenntnis, wie unendlich prekär unser hiesiges Leben ist, kam mir nicht wirklich der Wunsch, Simone wäre besser nicht hier bei mir, um das Leben mit mir zu erfahren. Nein, sie und ich sind Reisende, einander durch das tiefste Band der Mutter-Kindschaft verbunden, und haben beide dieses Wunder der Bewusstheit gemein, das wir >Leben< nennen.
    Ich habe früher schon ähnliche Bindung erfahren, nicht nur mit meiner Mutter und meinem Vater, sondern auch mit meiner ersten Tochter Genevieve. Hmm. Es ist erstaunlich, dass die Bilderinnerungen an meine Mutter mir noch immer so klar und scharf im Gedächtnis geblieben sind. Dabei ist sie vor siebenundzwanzig Jahren gestorben, da war ich erst zehn, aber sie hinterließ mir eine Fülle wundervollster Erinnerungen. Mein letzter Geburtstag mit ihr war ganz außergewöhnlich. Zu dritt nahmen wir den Zug nach Zentral-Paris. Mein Vater hatte sich in seinen neuen Anzug aus Italien geworfen und sah extrem gut aus. Meine Mutter hatte eine ihrer vielfarbigen, auffallenden >Eingeborenen<-Roben gewählt. Und dazu ihre Haare zur Krone geformt: sie sah aus wie die Senoufo-Prinzessin, die sie war, ehe sie meinen Vater heiratete.
    Wir speisten in einem Nobelrestaurant in der Nähe der Champs-Elysées. Von dort gingen wir zu Fuß zu einem Theater und schauten uns die Darbietungen einer schwarzen Tanzgruppe an, die verschiedene folkloristische Tänze aus Westafrika zeigte. Hinterher durften wir in die Garderoben, und Mutter stellte mich einer der Tänzerinnen vor, einer hochgewachsenen, ungewöhnlich schwarzen, wunderschönen Frau. Sie war eine entfernte Cousine meiner Mutter von der Elfenbeinküste.
    Ich hörte zu, wie sie sich im Stammesidiom der Senoufo unterhielten, das eine und andere Satzbruchstück aus meiner Vorbereitungszeit auf die Poro-Initiation vor drei Jahren tauchte in mir wieder auf, und ich war wieder einmal verblüfft darüber, dass das Gesicht meiner Mutter so viel mehr an Ausdrucksstärke gewann, wenn sie unter ihresgleichen war. Aber sosehr mich dieser Abend faszinierte, ich war erst zehn und hätte eigentlich eine ganz ordinäre Geburtstagsfeier mit allen meinen Schulfreunden vorgezogen. Auf der Rückfahrt nach Chilly-Mazarin, der Vorstadt, in der unser Haus lag, muss meine Mutter erkannt haben, wie enttäuscht ich war. »Sei doch nicht traurig, Nicole«, sagte sie, »nächstes Jahr bekommst du eine ri chtige Par ty . Aber dein
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