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Die Nachtmahr Wunschträume

Die Nachtmahr Wunschträume

Titel: Die Nachtmahr Wunschträume
Autoren: Jean Sarafin
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die Konturen meines Gesichtes nachgezogen hatte, zu den rosenförmigen rosafarbenen Ornamenten des Spiegelrahmens. Sie waren Überreste meiner Kindheit, die ich als Mahnmal behalten hatte. Ich hasste sie trotzdem, denn sie symbolisierten alles, was ich einmal hatte und nie wieder bekommen würde.
    Als mir klar wurde, dass ich mich schon wieder in traurige Gedanken flüchtete, statt etwas gegen sie zu unternehmen, zog ich meine Hand weg. Heute war wirklich kein guter Tag. Ich schüttelte den Kopf und schob den letzten Satz geistig beiseite. Nein, so ging das nicht!
Heute ist ein guter Tag, ein sehr guter Tag. Die Zukunft liegt vor mir, ich bin jung und dynamisch und absolut gut gelaunt!
Und daran würde sich nichts ändern. Trotzdem würde eine ordentliche Zuckerdosis helfen, keinen neuen Trübsinn aufkommen zu lassen.
    Leise, um niemanden im Hause
de Temples
zu wecken, öffnete ich meine Zimmertür und schlich mich durch den Flur, die Treppe hinab, ins Erdgeschoss und in die Küche. Tatsächlich war die eiskalte Coke, frisch aus dem Kühlschrank, das Beste, was mir seit dem Erwachen eingefallen war. Ich konnte förmlich spüren, wie sich Zucker und Koffein sofort in meinen Kreislauf stahlen und jede Zelle meines Körpers belebten.
    »Hattest du einen Albtraum?«
    Ich sprang fast in den Schrank. Und nur das Wiedererkennen der Stimme verhinderte, dass ich mich nach der Schrecksekunde direkt auf den Eindringling stürzte.
    Trotzdem klopfte mein Herz genauso schnell wie direkt nach dem Aufwachen und jagte Adrenalin durch meine Adern. Ich fuhr zu meinem Stiefonkel herum, der einfach nur ein etwas dunklerer Schatten inmitten der übrigen Finsternis zu sein schien. Ein unheimlicher Effekt, der sicherlich eine Menge Übung erforderte, und meinen Mund trocken werden ließ. Sollten Tagmahre nicht eigentlich strahlende, freundliche Lichtwesen sein?
    »Was machst du denn hier?«, fragte ich, immer noch halb im Schrank stehend.
    »Ich wohne hier. Schon vergessen?«
    Mein Stiefonkel trat einen Schritt näher, in den Lichtstrahl, der von der Straßenlaterne durch das Küchenfenster fiel. Der unheimliche Effekt blieb. Und dass, obwohl er nur die nachlässig von mir auf der Küchenzeile platzierte leere Colaflasche in die Flaschenkiste beförderte, und dabei so wirkte, als hätte er das Haus – und mich – nie verlassen. Einen Moment lang fühlte ich mich, als müsse ich mich wirklich auf ihn stürzen. Vor Freude. Und wegen des absoluten Hochgefühls, welches plötzlich durch meine Adern brannte. Dann schaltete sich mein Gehirn wieder ein. Klaus war nicht umsonst über ein Jahr fort gewesen, sondern um als Davids Statthalter seinem Sohn den Weg zu ebnen … in seiner charmanten und für Nachtmahre tödlichen Art.
    »Wovon hast du geträumt?« Klaus wandte sich mir zu und ich konnte seinen prüfenden Blick trotz der Dunkelheit erkennen. Er stieß mir bitter auf und warf mich wieder zurück in die Selbstzweifel meines fragilen Egos. Nur weil man sich selbst analysieren konnte, bedeutete das schließlich noch lange nicht, dass man dagegen gefeit war, trotzdem in diesen Kategorien zu empfinden. Im Gegenteil. Manchmal konnte einen die Analysiererei ganz schön an den eigenen Ohren erwischen.
    Kein
Wie geht es dir?, Schön dich zu sehen!, Gut schaust du aus!
oder ein echtes Interesse … hielt sie mir deswegen vor, und verhinderte, dass ich mich trotz meines kleinen Mantras
Heute ist ein guter Tag, ein sehr guter Tag. Die Zukunft liegt vor mir, ich bin jung und dynamisch und absolut gut gelaunt!
besser fühlte. Es löschte aus, was ich einen Moment lang empfunden hatte und hinterließ verbrannte Erde. Aber nicht umsonst war der große Zausel mit den langen, ungepflegten Haaren und dem Bart, der Rübezahl zu Ehren gereicht hätte, im Inquisitionsmodus.
    »Saint Blocks«, log ich. Obwohl es eine Lüge war, verkrampfte sich etwas in meinem Inneren und machte mir klar, dass es nur zur Hälfte eine Ausrede war.
    »Entschuldige«, meinte er, betrachtete mich aber so nachdenklich und lange, bis ich mich unwohl fühlte und innerlich zitterte.
    Nach schier endlosen Sekunden erbarmte sich mein Onkel. »Wir haben dir damals nicht geglaubt – ICH habe dir nicht geglaubt – und nichts unternommen als Meg sich dafür entschieden hat, dich auf ein Internat zu schicken.«
    Ein Internat?
… welch schöne Umschreibung dafür, dass meine Tante und ihr Mann Klaus mich kurz nach dem Tod meiner Eltern erst aufgenommen und dann bei der erstbesten
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