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Die Nacht von Sinos

Die Nacht von Sinos

Titel: Die Nacht von Sinos
Autoren: Jack Higgins
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müssen.« »Und was geschah dann?«
    »Wir hatten eine tragbare Druckausgleichskammer an Bord. Ein Schweizer Gerät, gerade groß genug für einen Mann. Er befahl der Mannschaft, mich hineinzulegen.«
    »Und Morgan?« flüsterte sie.
    Mein Mund war trocken. »Für ihn war kein Platz mehr. Er hätte noch einmal über Bord gehen und langsam heraufkommen können, aber es war kein zweiter Taucher in der Nähe, der ihm helfen konnte, und außerdem brach er zusammen. Als sie das Boot festgemacht hatten, war es schon zu spät.«
    »Und seitdem ist er so?«
    Ich nickte.
    »Und Sie mögen eigentlich nicht mehr tauchen?«
    »Eigentlich nicht. Ich hab's versucht, heute zum Beispiel. Ich tauche durch das sonnenhelle Wasser hinunter, und das ist gar nicht so schlimm. Aber dann wird's tiefer, die Farben verblassen, die Dunkelheit schließt einen ein, genau wie voriges Jahr der Schlamm.«
    Ich spürte den Schweiß auf meinem Gesicht. Sie legte mir lächelnd einen Finger auf die Lippen. »Das war genug Buße für einen Abend. Einverstanden? Jetzt holen wir schön tief Luft und trinken noch etwas.«
    »Ich schaffe es nie bis zur Bar.« Das war die Wahrheit, denn ich fühlte mich schlapp bis auf die Knochen.
    »Wirklich? Was würden Sie vorschlagen?«
    »Mein Zimmer, es ist nur ein Schritt quer über die Terrasse, und die Fenstertür steht offen. Soda, Eiswasser und guter irischer Whisky sind immer vorhanden.«
    »Unter anderem.«
    »Das hängt ganz von den Kunden ab.«
    Sie ließ dieses klare, harte Lachen hören. »Ich glaube, ich mag Sie trotzdem, Savage.«
    »Das liegt daran, daß ich Ihnen an der Bar etwas in den Drink gemixt habe.«
    »Nein«, sagte sie, »mir gefällt es, daß Sie nicht aufgeben.«
    Ich wußte nicht recht, was sie damit meinte.
    Wir gingen die Stufen hinauf und auf die offene Fenstertür zu. Die Vorhänge waren zugezogen. Drinnen war es finster und sehr, sehr still.
    »Ich mache Licht.« Ich tastete mich durch das Zimmer vor und vergaß die Stromsperre. Dann stolperte ich über etwas, und krachend fiel ein Stuhl um.
    »Haben Sie sich verletzt?« rief sie.
    Ich streckte die Hand aus und berührte ein Gesicht.
    »Schreien Sie nicht«, sagte ich leise. »Ich denke, uns steht eine unangenehme Überraschung bevor.«
    Ich zündete ein Streichholz an. Der kostbare Perserteppich war voller Blut, und in der Mitte lag Raoul Guyon.

    4

    Der Wächter, der vom Motorboot aus ins Wasser geschossen hatte, war seinem Ziel näher gewesen, als er wahrscheinlich geahnt hatte. Guyon hatte drei Kugeln in den Rücken bekommen, das konnte man jedenfalls an den Löchern im schwarzen Naßtauchanzug erkennen. Als ich ihm das Ding abzog, sah es nicht besser aus.
    Die beiden Löcher oben in der linken Schulter waren unschön, aber kaum lebensgefährlich. Er würde höchstens eine lahme Schulter zurückbehalten.
    Aber der dritte Treffer war schon etwas anderes. Die Kugel war zwanzig Zentimeter unterhalb des linken Schulterblatts eingedrungen, und als ich ihn umdrehte, fand ich keine Ausschußöffnung. Also Steckschuß.
    Sarah Hamilton kniete neben mir und hielt mir die Petroleumlampe, die ich angezündet hatte. Sie hielt sich tapfer, auch dann noch, als sie unter dem nassen Anzug das viele Blut sah.
    »Sehr schlimm?« flüsterte sie.
    »Schlimm genug. Sieht aus, als hätte er eine Kugel in der linken Lunge.«
    In meinem Beruf braucht man immer eine gut ausgerüstete Hausapotheke. Ich sagte ihr, wo sie zu finden war, und sie ging mit der Lampe nach nebenan ins Badezimmer.
    Ich hockte im Dunkeln und hörte sie nebenan herumkramen. Guyons Atem war kaum zu vernehmen. Das machte mir Sorgen. Es ist etwas Seltsames mit Lungenverletzungen. Man weiß nie, woran man ist. Man kann von einem Augenblick zum ändern daran sterben. Das hatte ich alles schon erlebt.
    Sie kam mit einem großen, grauen Blechkasten zurück, auf dessen Deckel noch die Insignien der britischen Admiralität prangten. Diese Ausrüstung haben die meisten kleineren Marineeinheiten an Bord, die sich keinen eigenen Schiffsarzt leisten können. Ich hatte aus Heeresbeständen mehrere dieser Schiffsapotheken erstanden.
    Sein Gesicht war jetzt schweißnaß. Er stöhnte ein paarmal. Ich wischte ihm das Blut so gut wie möglich ab und streute Sulfonamid-Puder auf die Wunden, dann legte ich ein paar Notverbände an.
    Sarah stellte die Lampe auf den Boden und hielt ihn fest. Es gelang uns mit einiger Mühe, ihm meinen alten Bademantel anzuziehen. Als wir gerade fertig waren, schlug er die
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