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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
Autoren: Nancy Baker
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viele, du bist geschwächt … halt dich fern. Aber der Geruch ihres Blutes war berauschend, der Hunger wie eine rot blühende Blume in seinem Bewusstsein. Nur einen. Er brauchte nur einen, dann wäre er wieder stark. Stark genug, sich auch die anderen zu greifen, wenn es sein musste. Nur einen, und er wäre frei.
    Er stieg vorsichtig die restlichen Stufen hinab, die letzten Reste seiner Überlegtheit festhaltend, die ihn im Zaum hielt, während der Hunger nach Blut in ihm wütete. Sie durften ihn nicht sehen, durften nicht wissen, dass er hier lauerte, bis er bereit war. Das Pfeifen der Maschine erfüllte seine Ohren und trommelte auf seine zum Zerreißen gespannten Nerven ein.
    Am Fuße der Treppe angelangt, zog er sich in deren Schatten zurück und wartete. In dem leeren Lagerhaus gab es keinerlei Deckung, nur die Dunkelheit der Schatten und die Unmöglichkeit seiner eigenen Existenz boten ihm Schutz. Er stand ganz still, und obwohl sein Körper vor Hunger schmerzte, wartete er, während die Stimmen der Männer langsam in sein Bewusstsein einsickerten, vorbei an dem lästigen Summen der Maschine.
    »Noch ein Durchgang, dann sind wir mit diesem Stockwerk fertig«, verkündete einer.
    »Wird auch Zeit. Du weißt ja, Roias hat gesagt, wir sollen nachts nicht arbeiten«, sagte der zweite.
    » Verflucht, Tucker, er wird’s nie erfahren. Wir kriegen fünf Riesen, egal ob wir jetzt eine Woche oder einen Monat für den Job brauchen. Ich für meine Person könnte Urlaub gut vertragen.«
    »Ich auch. Aber dieser Bau hier macht mir Gänsehaut«, erwiderte Tucker.
    »Wenn du dir in die Hosen machst, kannst du ja gehen. Simpson und ich teilen uns dann deinen Anteil«, schlug der Erste vor.
    »Keine Chance, Theo«, erwiderte Tucker und sah sich dann nervös in dem Lagerhaus um. »Hast du dich je gefragt, was zum Teufel er eigentlich sucht?«
    »Al Capones verborgenen Schatz?«, tönte der dritte Mann schleppend und wühlte in seiner Tasche herum. Ihr Gelächter schabte wie stumpfe Rasiermesser über die Nerven des Beobachters.
    »Roias würde es recht geschehen, wenn er bloß eine dreckige Flasche fände … Herrgott, Simpson, pack das Hasch weg. Du weißt, dass ich das Zeug nicht ausstehen kann.«
    »Deshalb bist du auch so ein Warmduscher, Theo«, sagte Simpson und riss dabei ein Streichholz an, das brannte und lockte.
    »Komm, geh und rauch den Scheiß dort drüben«, schaltete Tucker sich ein, und Simpson zuckte die Achseln und schlenderte davon.
    Unter der Treppe spürte der Vampir, wie seine Muskeln sich in Vorbereitung auf den Angriff spannten. Raubtierinstinkte, in tausend eisig kalten Nächten geschärft, ließen ihn sich bis an den Rand des Schattens bewegen, während Simpson näher trat und entspannt in einer Wolke aromatischen Rauchs dahinschritt. Die Spitze der selbst gedrehten Zigarette glühte schwach, der einzige Lichtpunkt an der ansonsten dunklen Gestalt, die sich als Silhouette vor dem Lichterkreis am anderen Ende des Lagerhauses abzeichnete.
    Noch drei Schritte, zwei … Wie Glockenschläge hallten sie im Geist des Vampirs wider. Der Mann blieb plötzlich stehen, starrte in die Finsternis, und der Vampir erstarrte. Dann nahm Simpson einen weiteren langen Zug, legte den Kopf in den Nacken und atmete aus. Die Bewegung entblößte die dunkle Krümmung seiner Kehle, zeichnete ihre gebogene Kraft vor den Scheinwerfern ab. Der Vampir konnte den Pulsschlag des Blutes fühlen, und der Geruch des Lebenssafts in den Adern des Mannes drang ihm in die Nase. Das war mehr als er ertragen konnte, und er sprang mit einem raubtierhaften Satz, der ihn fast an Simpsons Seite trug, aus den Schatten.
    Die Augen des Mannes öffneten sich plötzlich, und der glasige Schein über den dunklen Tiefen schwand, als verständnisloser Schock den Drogenrausch ablöste. »Heilige Scheiße …« Für mehr blieb keine Zeit. Ein zweiter Satz hatte den Vampir zu ihm herangebracht und beide zu Boden geworfen.
    Wie aus weiter Ferne nahm der Vampir wahr, dass die anderen Männer sich umdrehten, aufschrien, aber dann existierten nur noch das heiße Fleisch und das noch heißere Blut, das seinen Mund füllte. Simpson unter ihm schlug um sich, sein Kopf zuckte hin und her, bis krallenbewehrte Hände die Stirn des Mannes umfassten und blutige Wunden an den Schläfen hinterließen, während sie seinen Kopf ruhig hielten. Trotzdem bedurfte es all seiner Kraft, um den Mann festzuhalten und seine Kehle weit genug aufzureißen, dass seine wilde Gegenwehr
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