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Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Die Nacht in mir: Roman (German Edition)

Titel: Die Nacht in mir: Roman (German Edition)
Autoren: Nancy Baker
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in Todeszuckungen umschlug.
    Dann versank er ganz im Blutrausch, und die heiße Flüssigkeit brannte seine Kehle hinunter, spritzte aus der wie wild pumpenden Arterie über sein Gesicht. Die ganze Welt verengte sich auf den Geschmack, den Geruch und das schwindel erregende Wohlbehagen, das mit jedem Schluck süßen Blutes durch seine Adern raste.
    Als jemand seine Schultern packte und versuchte, ihn von dieser wohltuenden Quelle wegzuziehen, schlug er zu. Undeutlich nahm er wahr, dass es sich um Theo handelte, den er niedergeschmettert hatte. Er konnte Tucker schreien hören, wie tausend Meilen entfernt, als sich plötzlich das dumpfe Moskitosummen in seinen Ohren zu einem messerscharfen Kreischen verwandelte, das ihn taumelnd in die Höhe fahren ließ. Mit beiden Händen ergriff er seinen Kopf.
    Er zwang sich, die Augen zu öffnen, um diese neue Bedrohung auszumachen. Der Kerl namens Tucker hielt etwas in der Hand, ein kleines Gerät, welches mit der fremdartigen Maschine verkabelt war, die wohl die Ursache des qualvollen Summens darstellte. Während er sich die Ohren zuhielt, knurrte und vor Schmerz die bluttriefenden Zähne zusammenbiss, hastete er auf den Mann zu. Er hatte die Strecke bereits halb zurückgelegt, als das Geräusch sich sprungartig höher schraubte in eine Stratosphäre jenseits seiner Vorstellungskraft.
    Jetzt schrie er, heulte in plötzlicher, blindwütiger Qual. Er fiel zu Boden und wand sich unter dem Peitschenschlag der weißglühenden Pein in seinem Kopf. Theos wüste Beschimpfungen hörte er kaum, aber er spürte die schweren Stiefel des Mannes, die gegen seine Rippen krachten. Die Wut des Mannes wurde angetrieben von dem blinden Willen, jene Kreatur zu vernichten, die es gewagt hatte, ihn in Angst zu versetzen, und – was noch wichtiger war – ihn mit dieser Angst beschämt hatte.
    Die Schläge, die auf ihn herunterprasselten, konnten ihn nicht töten, ja nicht einmal seine Knochen zerschmettern. Aber das hinderte sie nicht daran, ihm Schmerzen zu bereiten, eine qualvolle Agonie, die er sogar noch über das Dröhnen in seinem Geist wahrnahm.
    Schließlich ließ das Geräusch nach, doch die Schläge dauerten an, zehrten die Kraft auf, die er in dem Blut gefunden hatte. Die Arme um den Kopf geschlungen, zog er sich in den tiefsten Winkel seines Bewusstseins zurück. Aus weiter Ferne hörte er die Männer reden, scharfe, von Panik erfüllte Stimmen, nicht viel mehr als ausgefranste Gesprächsfetzen, die das gleichmäßige Klagen der Maschine zu übertönen vermochten.
    »Ach du meine Scheiße, was ist das?«
    »Keine Ahnung! Woher zum Teufel soll ich das wissen?«
    »Ist es tot?«
    »Keine Ahnung! Scheiße, es hat Simpson umgebracht.«
    »Was machen wir jetzt?«
    »Ich werd’ diesen Dreckskerl Roias anrufen und ihm sagen, dass er gefälligst seinen Arsch hierherbewegen soll, und zwar zackig. So sieht’s aus. Halt die Maschine an das Ding dran, und wenn es sich nochmal bewegt, dann gibt ihr mehr Saft.«
    Wie durch einen Nebel wusste er, dass er hier wegmusste, ehe diese Männer weitere riefen und er in der Falle saß. So etwas hätte nicht passieren dürfen, so etwas war noch nie passiert … Er war stärker als sie, klüger … Er war der Räuber, und sie waren die Beute … Er setzte dazu an, den Kopf zu heben, um zu sehen, wo die Männer waren, ob Tucker jenes infernalische Gerät gesenkt hatte. Das Geräusch durchbohrte ihn erneut, diesmal mit voller Kraft. Der Vampir schrie wortlos, er bäumte sich auf, die Wirbelsäule nach hinten gebogen, bis das fahle Mondlicht seine Augen erfüllte. Dann sank er in Dunkelheit zurück.

Karten der Mitternacht
     
    Ich setze Markierungen
auf die Karten der Mitternacht …
     
    Aus dem Tagebuch von Ambrose Delaney Dale
13. März 1898
     
    Endlich erhalte ich Nachricht! Ich hatte schon fast begonnen, an meinen ursprünglichen Erkenntnissen zu zweifeln, so ruhig war es in der Stadt. Aber heute ereichte mich kurz vor dem Abendessen eine Nachricht, dass Mr. Collins unten warte und mich sprechen wolle, und ich wagte zu hoffen. Als man ihn in die Bibliothek führte, ließ sein Gesichtsausdruck meine Hoffnung noch steigen. Und als er seine Geschichte erzählte …
    Wie ich schon früher berichtete, trieb er sich in den Bars und Straßen des Bezirks herum, in dem die Arbeiter und die Armen leben, dort, wo man den geheimnisvollen, blutlosen Körper gefunden hatte. Er hörte sich nach ungewöhnlichen Geschichten um. Die wenigen Hinweise, die er mir bis jetzt
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