Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)

Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)

Titel: Die Nacht gehört dem Drachen (German Edition)
Autoren: Alexia Casale
Vom Netzwerk:
gerechnet«, fügt Phee hinzu. »Aber du bist natürlich herzlich willkommen.« Sie schaut Lynne an, und ich versuche zu ergründen, was zwischen ihnen abläuft.
    Lynne zuckt grinsend mit den Schultern. »Du möchtest also endlich in den Fan-Club aufgenommen werden?«
    »Hast du die Serie etwa heimlich geschaut? Bist du über alles informiert, auch über das Pillepalle im Bonusmaterial?«, fügt Phee lachend hinzu.
    Ich weiß, wie sehr sie sich darum bemühen, mich nicht auszuschließen, aber vielleicht tun sie das nur, weil sie von ihren Eltern aufgefordert wurden, ganz besonders nett zu mir zu sein … Vielleicht irre ich mich, aber das ungute Gefühl, das ich im Englischunterricht hatte, verstärkt sich durch ihr Seelenverwandtschaftsgetue um ein Tausendfaches. Als die nächste Stunde beginnt, folge ich ihnen bedrückt. Ich würde mich am liebsten zu Hause unter meinem Bett verkriechen.
    Stattdessen hole ich die Glasflasche mit dem Drachen aus der Schultasche und drücke sie fest, so fest, dass ich befürchte, das Glas könnte zerspringen, während ich versuche, mir einzureden, dass der Traum vom Drachen nur der erste von vielen war; dass der Drache mich ansehen und darauf warten wird, mich zu begrüßen, wenn ich heute Nacht »erwache«.
    »Amy hat erzählt, dass du dich immer noch weigerst, Fionas Grab zu besuchen«, sagt Miss Winters aus heiterem Himmel, während wir das Gemälde Miranda und der Stern von Waterhouse betrachten. Ich drücke mit der Hand das aufgeschlagene Buch platt und beuge mich tiefer über das Bild, um nicht aufschauen zu müssen.
    Amy glaubt, ich müsste auch den Wunsch haben, Fionas Grab zu besuchen, weil es sie selbst immer wieder zu den Gräbern von Adam, Tante Minnie, Opa Peter und Oma Florrie zieht. Aber sie irrt sich. Ich bin da ganz anders als sie.
    »Sie ist tot«, sage ich. »Man hat sie begraben. Schluss. Aus.«
    »Man kann nicht so einfach einen Schlussstrich ziehen, Evie.«
    Mir gehen alle möglichen Erwiderungen durch den Kopf, aber ich zwinge mich, den Mund zu halten.
    »Gibt es etwas, worüber du reden möchtest?«, fragt Miss Winters, sobald sie merkt, dass ich beim Thema Friedhofsbesuch nicht zur Zusammenarbeit bereit bin.
    Ich zucke wieder mit den Schultern. Soll ich etwa von meinem Frust darüber erzählen, dass ich in der Schule so viel verpasst habe? Von den Witzen, die ich nicht verstehe, weil ich die Hintergründe nicht kenne, von den Erinnerungen, die ich nicht teilen kann? Nein, das würde auch nichts daran ändern. Und was könnte Miss Winters schon dazu sagen? Nicht mehr lange, dann bin ich wieder ganz gesund, dann wird es Neues geben, an dem ich teilhaben kann. Ich muss einfach abwarten, und in der Zwischenzeit werde ich lange vor dem Fernseher sitzen und todlangweilige Serien gucken, um wenigstens halbwegs auf dem Laufenden zu sein.
    Bevor ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Buch zuwenden kann, fragt Miss Winters: »Hast du denn gar keine guten Erinnerungen an Fiona?«
    Ich reiße mich mächtig zusammen und überlege, wie ich mit dieser Frage umgehen soll. Natürlich nur ein paar Sekunden. Denn wenn ich länger schweige, lässt Miss Winters bestimmt nicht mehr locker. Vielleicht für heute, ja, aber sie wird bald wieder darauf zurückkommen. Sie wird immer wieder darauf zurückkommen. Ich setze die genervteste Miene auf, die mir zur Verfügung steht, und starre sie an, seufze so mürrisch, als wäre die ganze Sache nur eine ärgerliche Irritation.
    Doch Miss Winters hält meinem Blick stand. Ich lasse mich im Sessel zurückfallen, schaue aus dem Fenster. Ich würde am liebsten fragen, wie sie darauf kommt, dass ich auch nur irgendetwas Gutes mit Fiona verbinde … Aber dann habe ich unseren alten Gartenweg vor Augen, die schiefen, zur blauen Hintertür führenden Betonplatten und den Löwenzahn neben der Matte.
    »Wir hatten irgendwann nur einen halben Tag Schule. Ich weiß nicht mehr, warum«, sage ich schließlich. »Ich dachte, es wäre niemand zu Hause. Also habe ich mich mit dem Schlüssel reingelassen, der neben der Hintertür unter dem Topf mit den Petunien lag. Dort liegt er wahrscheinlich heute noch … Fiona stand mit einer Schürze in der Küche und backte einen Kuchen. Sie waren beide weg, warum auch immer. Wir waren also nur zu zweit, und wir haben den Kuchen gebacken. Wir haben ihn ganz allein aufgegessen, während wir am Küchentisch Spiele gespielt haben. Die Sonne schien. Ich weiß noch, wie sonnenhell die ganze Küche war, und das Haar von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher