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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman
Autoren: Fred Vargas
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ertragen, dass die ganze Stadt es weiß.«
    »In dem Fall«, wandte Hippo ein, »hätte aber der Vater Herbier erschlagen.«
    »Ja«, sagte Lina, »darum ist es auch seine Axt. Der Vater hat wohl versucht, Herbier zu töten, aber der andere hat die Oberhand gewonnen.«
    »Auf jeden Fall«, bekräftigte Martin, »wenn Lina Herbier im Wütenden Heer gesehen hat, dann doch wohl, weil er ein Verbrechen begangen hatte. Bei Mortembot und Glayeux wusste man’s, bei Herbier wusste man’s nicht.«
    »Genauso ist es«, schloss Hippo. »Herbier hat dem Vater den Schädel gespalten.«
    »Bestimmt ist es so«, bestätigte Adamsberg. »Der Kreis schließt sich, alles kommt zu einem Ende.«
    »Warum sagen Sie, dass meine Mutter recht hatte, wenn sie Angst hatte?«, fragte Antonin. »Nicht uns hat Émeri umgebracht.«
    »Aber euch hätte er bald getötet. Das war sein eigentliches Ziel: Hippo und Lina zu ermorden und die Verantwortung dafür auf irgendeinen Menschen in Ordebec abzuwälzen, der durch die Toten des Wütenden Heeres vor Angst wahnsinnig geworden wäre.«
    »Wie 1777.«
    »Genau. Aber der Tod des Vicomte hat ihn aufgehalten. Den hat auch Émeri aus dem Fenster gestoßen. Aber jetzt ist es vorbei«, sagte er, sich zur Mutter umwendend, die den Kopf wieder zu heben schien, als wenn sie nun, da ihre Taten ausgesprochen und sogar verteidigt worden waren, ausihrer Betroffenheit ein wenig auftauchen konnte. »Die Zeit der Angst ist vorbei«, sagte er noch einmal mit Nachdruck. »Vorbei ist auch der Fluch, der auf der Vendermot-Sippe lag. So wird die Schlächterei wenigstens ein Gutes gehabt haben: Man wird nun wissen, dass keiner von euch der Urheber war, sondern dass ihr die Opfer gewesen seid.«
    »So dass wir niemanden mehr beeindrucken werden«, sagte Hippo mit einem enttäuschten Lächeln.
    »Ja, schade eigentlich«, meinte Adamsberg. »Du wirst ein Mensch mit fünf Fingern.«
    »Ein Glück, dass Maman die Stummel aufgehoben hat«, seufzte Antonin.
    Adamsberg blieb noch eine Stunde, bevor er sich, mit einem letzten Blick auf Lina, verabschiedete. Im Hinausgehen fasste er die Mutter bei den Schultern und bat sie, ihn bis auf den Weg hinaus zu begleiten. Verschüchtert legte die kleine Frau die Blumen hin und griff nach einer Waschschüssel, erklärte, dass sie bei der Gelegenheit gleich die Wäsche abnehmen könne.
    So ging er mit ihr die zwischen den Apfelbäumen gespannte Leine entlang und half ihr, die Wäschestücke abzuklammern und sie gefaltet in die Schüssel zu legen. Ihm fiel nichts ein, womit er die Frage taktvoll angehen konnte.
    »Herbier soll Ihren Mann getötet haben«, sagte er leise. »Wie denken Sie darüber?«
    »Das ist gut«, murmelte die kleine Frau.
    »Aber es stimmt nicht. Sie haben ihn getötet.«
    Die Mutter ließ ihre Wäscheklammer fallen und fasste mit beiden Hände die Leine.
    »Wir sind die beiden Einzigen, die es wissen, Madame Vendermot. Die Tat ist verjährt, und keiner wird je darüber reden. Sie haben keine Wahl gehabt. Entweder Sie oder die beiden. Ich meine, die beiden Kinder von Valleray. Er hätte sie umgebracht. Sie haben sie auf die einzig mögliche Weise gerettet.«
    »Wie haben Sie das herausbekommen?«
    »In Wahrheit sind wir drei, die es wissen. Sie, ich und der Graf. Wenn die Sache verhindert werden konnte, dann weil der Graf interveniert hat. Er hat es mir heute Morgen bestätigt.«
    »Vendermot wollte die Kleinen umbringen. Er wusste es.«
    »Von wem?«
    »Von niemandem. Er war aufs Schloss gefahren, Balkenmaterial ausliefern, und Valleray half ihm beim Entladen. Der Graf ist an einem der Greifer vom Bagger hängengeblieben und hat sich sein Hemd der Länge nach aufgerissen. Da hat Vendermot seinen Rücken gesehen. Und er hat das Zeichen gesehen.«
    »Aber noch jemand weiß es, wenn auch nur halb.«
    Die Frau sah Adamsberg erschrocken an.
    »Lina«, fuhr er fort. »Sie hat als kleines Mädchen mit angesehen, wie Sie ihn erschlagen haben. Darum hat sie den Stiel der Axt abgewischt. Danach hat sie alles auslöschen, alles im Vergessen versenken wollen. Und hat unmittelbar darauf jene erste Krise bekommen.«
    »Was für eine Krise?«
    »Ihre erste Vision des Wütenden Heeres. Sie hat Vendermot gesehen, er war einer der Ergriffenen. Damit wurde der Seigneur Hellequin für das Verbrechen verantwortlich, Sie waren es nicht mehr. Und diesen Wahn hat sie weiter gepflegt.«
    »Mit Absicht?«
    »Nein, um sich zu schützen. Aber man müsste sie von diesen Alptraum befreien.«
    »Das
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