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Die Nacht des Schierlings

Die Nacht des Schierlings

Titel: Die Nacht des Schierlings
Autoren: Petra Oelker
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hanseatischen Damen um ihre Gärten, für Anne allerdings bedeutete der große, vor den Toren gelegene Garten mehr, in ihrem neuen Leben an Elbe und Alster war sie eine leidenschaftliche Gärtnerin geworden.
    Nun verriet ihre Miene liebevolle Nachsicht und Geduld, Tugenden, die sie erst während der letzten Jahre erworben hatte. «Du bezahlst unseren guten Kampe, weil ich stets nur ein wenig an der Oberfläche kratze, rein zum Vergnügen, und die Früchte seiner Arbeit ernte. Ansonsten vertreibe ich mir mit ein wenig Gärtnerei die Zeit, wie es sich für eine Dame gehört.»
    Auch in diesem Fall wussten beide, dass das nicht stimmte. Claes Herrmanns hatte vor fast acht Jahren einen verwilderten Garten an der Außenalster gekauft, in dessen Mitte ein heruntergekommenes Haus stand. Für eine Sommerdependance ein günstiger Kauf und schneller zu erreichen als die begehrteren Gartengrundstücke im Südosten in den Vier- und den Marschlanden. Es war Annes Planung und ihrer behutsamen Leitung des tüchtigen, leider auch störrischen alten Gärtners zu verdanken, dass aus der wuchernden Wildnis eine gepflegte, gleichwohl naturhaft und üppig anmutende Anlage geworden war, aus dem maroden Fachwerkgebäude eine so wohnliche wie elegante Sommervilla. Die Südwand zierte Spalierobst, hinter dem Haus und den alten Weißbuchenhecken versteckt, fanden sich der Küchengarten und drei Glashäuser.
    Das kostspielige Unternehmen hatte sich gelohnt. Sogar ausgezahlt, wenn man es genau bedachte und die Summe der Geschäfte berechnete, die hier bei einem guten Essen und in heiterer Geselligkeit angebahnt oder entschieden worden waren. Wer in der Stadt zählte, ob in Handel oder Politik, überhaupt in der hanseatischen Gesellschaft, war schon zu Gast gewesen.
    «Dein Garten ist schuld, Herrmanns», hatte Senator van Witten augenzwinkernd verkündet, als er vorhin in seine Kutsche gestiegen war, um ins Rathaus zurückzukehren, «die Terrasse, die verschwiegenen Wege mit ihren Hecken, der Kamin im Gartenzimmer. Wirklich außerordentlich hübsch und bequem, wo ließe sich besser diskret zu Behandelndes besprechen als hier. Dazu so nah bei der Stadt – wirklich schlau, alter Freund.»
    Herrmanns hatte nicht widersprochen.
    «Lass uns auf die Terrasse gehen», schlug er nun seiner Frau vor und schob seinen Arm unter ihren. «Ich glaube, in der Kanne ist noch etwas Kaffee übrig.»
    «Gib mir eine Viertelstunde. Ich möchte nur noch ein paar der Rosenzweige aufbinden und die Hagebutten schneiden, schrecklich kleine Dinger in diesem Jahr, das Marmelademachen wird kein Vergnügen sein. Dann ist mein Pensum geschafft, und ich trinke gerne mit dir Kaffee. Und einen Sherry.» Sie blieb stehen, legte den Kopf ein wenig schief und sah ihn fragend an. «Nun sag schon», forderte sie, als er ihren Blick nur schweigend erwiderte, «haben sie dich gefragt?»
    «Ehe du vor Neugier platzt, meine allerliebste Madam Herrmanns», sein Grinsen gab ihm trotz seiner grauen Schläfen etwas Jungenhaftes, «diesmal habe ich nicht abgelehnt. Mehr oder weniger. Ich habe van Witten gesagt, er solle wieder fragen, nachdem der alte Lohbrügg den Kampf gegen seine Krankheit verloren und das Zeitliche gesegnet hat. Wenn dann ein Senator für seine Nachfolge gewählt werden muss, mag er mich vorschlagen. Das heißt noch nicht», sagte er entschieden, «dass ich auch gewählt werde. Mir bleibt also noch ein Hintertürchen.»
    Nun war es an Anne zu nicken. Sie lächelte nur bemüht, als sie, die getrocknete Erde von den Händen reibend und in der Tasche ihrer Gartenschürze nach der Schere suchend, zu den Rosensträuchern hinüberging.
    Seit etlichen Jahren schon wurde Herrmanns von einflussreichen Mitbürgern gedrängt, sich in den Rat wählen zu lassen. Es gab keine höhere Ehre in dieser Stadt, und es hätte ihm geschmeichelt, als Wohlweisheit tituliert zu werden, wie es einem neuerdings auch Senator genannten Ratsherrn zustand. Bisher war es ihm günstiger erschienen, sich nur als Mitglied der Commerzdeputation in die Regierungsgeschäfte einzumischen, das war weniger zeitraubend und vor allem unauffälliger. Er war eitel genug, um gerne in erster Reihe zu stehen, wenn es jedoch um wirklich Wichtiges ging, zog er lieber aus dem Hintergrund die Fäden, darauf verstand er sich hervorragend. Wobei allerdings seine Gewissheit, er tue das von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, irrig war. Jeder wusste es. Mancher nahm es übel. Und war es aus Neid.
    Er war weiter durch
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