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Die Nacht des Satyrs

Die Nacht des Satyrs

Titel: Die Nacht des Satyrs
Autoren: Elizabeth Amber
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Augen weiteten sich. »Sie kommen!«, flüsterte sie.
    »Fretta! Affrettarsi! Auf den Tisch!«, befahl Mondroli leise und fuchtelte mit seinen Händen. »Ich muss noch eine Zeichnung machen.«
    Jordan beachtete ihn gar nicht, sondern ging zu den Samtvorhängen, welche die kleine Bühne, auf der sie sich mit dem Künstler befand, vor dem Rest des schwach beleuchteten Theaters abschirmten. Dort weitete sie den Spalt zwischen den beiden Vorhängen und linste mit einem Auge hinaus.
    Als Erstes erblickte sie Salerno, der in seinem weißen Arztmantel durch den Zuschauerraum schritt und ausgesprochen wichtig tat. Der Kittel war bloße Aufschneiderei, denn heute würde es keine Operation geben, lediglich Gerede. »Eine medizinische Untersuchung« waren die Worte, die er auf den Ankündigungen verwandte, welche Salerno bei Badern, in den Hospitälern und vergleichbaren Einrichtungen ausgehängt hatte, um für seinen heutigen Vortrag zu werben. Und sie erfüllten ihren Zweck, denn gelehrte Männer der Wissenschaft und Medizin strömten regelmäßig herbei, um Jordan anzusehen – wie die Schmeißfliegen, die sich auf Aas stürzten.
    Seine Rockschöße flatterten, als er durch den Mittelgang des Theaters stolzierte. Seit Jordan ihn im letzten Jahr gesehen hatte, war sein Haar dünner geworden. Die verbliebenen dunklen Strähnen waren mit Hilfe von Haaröl nach hinten gestrichen, so dass sie nassem Rabengefieder gleich an seinem Schädel klebten.
    Eine v-förmige Traube Heilkundiger folgte ihm wie ein Gänseschwarm zum herbstlichen Zug im September.
    Salernos scharfer Blick richtete sich auf den Vorhang. Könnte er bemerkt haben, dass sie ihn beobachtete? Seine kleinen Augen glichen kalten schwarzen Löchern, bar jeden Mitgefühls.
    Rasch zog Jordan ihren Kopf zurück und hielt die Vorhänge zusammen.
    »Per favore – auf den Tisch!«, drängelte der Künstler.
    Vorsichtig faltete sie die Vorhangränder übereinander, als könnte sie Salerno damit aus ihrem Leben aussperren. Wäre es doch nur so einfach!
    Dann drehte sie sich seufzend zu Mondroli um. »Wie wollt Ihr mich jetzt?«
    »Auf dem Rücken liegend, auf dem Tisch, bitte.« Er breitete den viereckigen Seidenüberwurf, der zuvor über dem Stuhl drapiert gewesen war, auf dem Tisch aus. »Signore Salerno verlangt eine Serie in exakt denselben Positionen wie auf den vorherigen Bildern von Euch. Das einzige, das noch fehlt, ist …«
    Er blätterte durch die Zeichnungen des letzten Jahres, zückte eine Leinwand hervor und stellte sie auf eine zweite Staffelei unweit des Tisches. »Dieses.«
    Das Porträt zeigte nur eine Teilansicht, wie Jordan feststellte. Was gut war, denn es bedeutete, dass sie ihr Hemd wieder anziehen konnte. Als sie sich danach umsah, fiel ihr ein, dass Salerno all ihre Kleidung mit sich genommen hatte, als er sie morgens mit Mondroli allein ließ.
    An einem Wandhaken in der Ecke hing ein Umhang. Diesen holte Jordan sich und hängte ihn sich über die Schultern, während sie zum Tisch ging. Er war warm und elegant. Keine Löcher oder Risse entstellten den edlen Samt oder das kostbare Seidenfutter. Der Umhang gehörte Salerno.
    Jordan stemmte sich auf den Tisch und rutschte ein Stück nach hinten. Auf dem Rücken liegend, zog sie den Umhang fester um ihre Schultern und Brüste. Auf der Zeichnung wäre er nicht zu sehen.
    Sie hörte die Stuhlbeine über die Dielen schaben, als der Künstler sich zu ihr bewegte, und winkelte ihre gespreizten Knie genau so an, wie sie es für die Skizze im letzten Jahr hatte machen müssen. Mondroli hockte sich wie eine Hebamme vor sie, seinen Skizzenblock zwischen ihren Füßen auf dem Tisch.
    »Sì, so ist es richtig.« Er sah kurz zu dem anderen Porträt. »Und spreizt Eure, ähm …«
    »Labia majora und minora«, half Jordan ihm, während sie zwischen ihre Beine griff. Im Laufe der Jahre hatte sie alle medizinischen Bezeichnungen für ihre Körperteile von Salerno und den anderen gelernt, die kamen, um sie zu untersuchen.
    Mondroli skizzierte bereits die Umrisse. Am Ende würde sein Bild eine Nahaufnahme ihrer Genitalien zeigen. Folglich ließ er die obere Hälfte ihres Körpers weg, so dass ihre angewinkelten Schenkel und ihr Unterleib ein großes M auf seinem Blatt formten.
    Mit zwei Fingern schob Jordan ihre Schamlippen auseinander. Sie waren rund und voll – so ungewöhnlich voll, dass Jordan beim Aufstehen jedes Mal spürte, wie sie von ihrem eigenen Gewicht nach unten gezogen wurden. Sie blickte zu der
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