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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers.
Autoren: Andrea Camilleri
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er solle nachsehen, ob ein bestimmter Mann wegging. »Hat sie Ihnen den Namen des Kunden genannt?«
    »Sie scherzen wohl! Sie war die Diskretion in Person. Es war schon sehr viel, dass sie mir überhaupt von dem Vorfall erzählt hat.«
      Auf dem Weg zu Serafino sah er an den Hauswänden die schwarz umrandeten Todesanzeigen, noch feucht vom Leim. Sie kündigten an, dass die Trauerfeier für Signora Maria Castellino am folgenden Tag, am Sonntag, um zehn Uhr in der Kirche Cristo Re stattfand. Auch in Serafinos Wohnung wurde Sauberkeit groß geschr ieben. Der über siebzigjährige Kellner der Bar Pistone hatte auf den Commissario immer wie eine Schildkröte gewirkt, jetzt wirkte er wie ein prähistorisches Fossil. Durch den Tod seiner Frau war er, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, noch mehr gealtert. Seine Hände zitterten. »Denken Sie nur, Commissario, Maria hatte beschlossen, nicht mehr zu arbeiten. Einen Monat noch, dann wollte sie aufhören.«
    »Hatte sie die Arbeit satt?«
    »Satt? Nonsi. Sie tat es für mich.«
    »Wolltest du nicht, dass sie weitermacht?«

      »Meinetwegen hätte sie weitermachen können, solange sie Freier hatte. Nein, sie tat es für mich, damit ich nicht arbeiten musste.«

    »Serafi, entschuldige, aber das verstehe ich nicht.«
      »Sehen Sie, Commissario, ich arbeitete in der Bar, weil Maria eben dieses Leben führte. Ich arbeitete und verdiente mir mein Brot, damit keiner in der Stadt sagen konnte, ich würde mich wie ein Zuhälter von meiner Frau aushalten lassen. Deswegen haben mich alle respektiert, allen voran Maria, Gott hab sie selig, und dann meine Söhne.«

      »Serafi, hat deine Frau dir vielleicht mal von einem Freier erzählt, der...«
      »Commissario, Maria hat nie von ihrer Arbeit gesprochen, und ich habe nie danach gefragt. Nur Preside Vasalicò, der erst ihr Freier war und dann ihr Freund wurde, war manchmal hier.«

    »Warum?«
    »Er und meine Frau redeten miteinander. Sie setzten sich ins
    Esszimmer und redeten über Geschäftliches, davon verstehe ich nichts. Ich bin dann hier ins Wohnzimmer gegangen und habe ferngesehen.«

      »Serafi, ich habe deine Frau nicht gekannt. Hast du ein hübsches Foto von ihr?«
      » Sissi . Sie hat es vor einem Monat machen lassen, um es unseren Kindern zu schicken.«
      Signora Maria Castellino war eine schöne, ernste Frau gewesen. Nicht übertrieben geschminkt, aber sie hielt auf ihr Äußeres. Und nicht nur wegen ihres Berufs, dachte der Commissario. Sie war einfach eine Frau, die auf sich achtete, genau wie darauf, dass ihre Wohnung und ihr Zimmer sauber waren. »Kannst du mir das Foto leihen?«

    Als er das Haus verließ, sah er auf die Uhr. Es war schon neun Uhr abends. Er setzte sich ins Auto und fuhr nach Montelusa, wo sich die Büros und das Studio von »Retelibera« befanden. Er wartete, bis sein Freund Zito die Nachrichten beendet hatte, dann reichte er ihm die Fotografie der Toten und bat ihn um einen Gefallen. Danach setzte er sich wieder ins Auto und fuhr nach Marinella, ohne vorher im Kommissariat vorbeizuschauen. Seine Haushälterin Adelina, die bei ihm sauber machte und für ihn kochte, hatte die Eigenart, nicht ans Telefon zu gehen (»das Telefon, lu tilefunu, bringt Unglück«). Deshalb hatte Montalbano ihr seine verfrühte Rückkehr nicht melden können. Er musste sich mit dem zufrieden geben, was er im Kühlschrank fand: grüne und schwarze Oliven, tumazzo, Sardellen. Er taute ein panino auf und trug das Essen auf die Veranda. Es war ein lauer Septemberabend, der ihm Ruhe und Zuversicht schenkte. Um Mitternacht schaltete er den Fernseher ein. Zito hielt Wort. Im Lauf der Nachrichtensendung zeigte er Maria Castellinos Fotografie und sagte, Commissario Montalbano und dessen Vice Augello bäten im Zusammenhang mit dem Mord um Informationen. Sie appellierten dringend an die »Sensibilität der alten Freunde der Signora«, genau so drückte er sich aus. Sie garantierten absolute Diskretion, es sei nicht notwend ig, persönlich ins Kommissariat zu kommen, es genüge, anzurufen oder zu schreiben. Sie sollten alles berichten, auch Dinge, die sie für unwichtig hielten.

      Der Schachzug mit der »Sensibilität der alten Freunde« gelang prompt. Als der Commissario am folgenden Tag um acht Uhr morgens ins Büro kam, fragte er Catarella: »Hat jemand angerufen?«
      »Sissi, Dottore. Sechs Leute haben wegen dieser Geschichte mit der bottana sasinàta, der ermordeten Hure, angerufen! Die Namen hab
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