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Die Nacht des einsamen Träumers.

Die Nacht des einsamen Träumers.

Titel: Die Nacht des einsamen Träumers.
Autoren: Andrea Camilleri
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ich auf den Zettel da geschrieben.« Zu jedem Namen gab es eine Telefonnummer, ein Zeichen, dass sie ihren unregelmäßigen Kontakt zu der Frau vor niemandem zu verbergen brauchten. Am Ende der Gespräche zeigte sich, dass die befragten Kunden alle um die sechzig waren und nichts voneinander wussten. Die Tür wurde aufgestoßen, Montalbano zuckte zusammen. Es war Catarella.

    »Sind Sie fertig mit telefonieren, Dottore?«
    »Ja. Warum bist du so hektisch?«
      »Weil seit heute Morgen um sieben einer da ist, der ganz persönlich mit Ihnen selber reden will, auch wegen dieser Geschichte.«

    »Wo ist er?«
    »Im Wartezimmer.«
      »Seit heute Morgen um sieben? Warum hast du mir nichts gesagt, als ich kam?«
    »Wie Sie gekommen sind, haben Sie mich gefragt, ob jemand angerufen hat. Das hab ich Ihnen gesagt. Von dem Signore hab ich nichts gesagt, weil der nicht angerufen hat.«
      Catarellas Logik war wie immer unerschütterlich. Der Mann, der sich dem Commissario vorstellte, war um die vierzig und gut gekleidet.

      »Ich heiße Marco Rampolla und bin Kinderarzt in Montelusa. Ich komme wegen des Mordes an dieser armen Prostituierten.«

    »Setzen Sie sich und erzählen Sie. Kannten Sie sie?«
      »Ja. Ich war einmal bei ihr.« Er hielt einen Augenblick inne. »Um mit ihr zu sprechen. Um eine gemeinsame Strategie zu überlegen.«
    »Eine gemeinsame Strategie? Wozu?«

      »Wegen meines Vaters. Er ist völlig verrückt, auch wenn es nicht so scheint.«
      »Sie sollten mir die Geschichte lieber so erzählen, wie Sie sie sehen.«
      »Vor sieben Jahren starb Mamma. Ein Autounfall. Am Steuer saß mein Vater, der Mamma über alles liebte. Er hatte die fixe Idee, dass er schuld war...«
    »War es so?«

    »Leider ja. Und seitdem ist er nicht mehr er selbst. Depressionen, religiöser Wahn, Zwangsvorstellungen... Ich habe versucht, ihn behandeln zu lassen. Ohne Erfolg, es wurde von Tag zu Tag schlimmer. Ich bin Junggeselle, nicht mehr lange, und hatte kein Problem damit, ihn bei mir zu Hause zu haben. Er war ja auch für niemanden gefährlich. Doch vor etwa vier Wochen kam er ganz aufgeregt nach Hause. Er erzählte mir, er sei in Vigàta gewesen und habe Mamma getroffen. Plötzlich schlug sein Glücksgefühl in Verzweiflung um, er sagte, Mamma sei Prostituierte. Und dass er das nicht dulden könne. Ich erschrak. In Montelusa gibt es einen Privatdetektiv, ich nahm Kontakt zu ihm auf. Er berichtete mir drei Tage später, es gebe in Vigàta eine alte Prostituierte. Da war ich ernstlich besorgt, auch weil Papa jetzt manchmal gewalttätig war. Ich fuhr nach Vigàta und sprach mit dieser armen Frau. Sie sagte, dass sie einen befreundeten Schuldirektor genauestens über die Geschichte informiert hätte und dass dieser, sollte ihr etwas zustoßen, zur Polizei gehen würde. Ich riet der Signora, dafür zu sorgen, dass Papa ihr nicht mehr begegnete. Sie versprach, dass sie ihn nicht mehr empfangen werde. Und so war es auch, doch Papa wurde wegen ihrer Zurückweisung immer gewalttätiger.«
    »Was wollte Ihr Vater konkret?«

    »Dass die Frau ihren Beruf aufgibt und zu ihm zurückkehrt.«
    »Wie können Sie ausschließen, dass es Ihr Vater war, der...«

      »Nun, am Tag bevor die Frau umgebracht wurde, gelang es mir, Papa nach Palermo in eine Klinik zu bringen. Er hat sie seitdem nicht verlassen.«

    Er langte in seine Jackentasche und holte einen Zettel hervor.
      »Hier habe ich die Adresse und die Telefonnummern der Klinik notiert. Sie können sich erkundigen.«
      »Eine Frage: Warum fühlten Sie sich verpflichtet, mir diese Geschichte zu erzählen?«

      »Es handelt sich um einen Mord, und da wollte ich nicht, dass Papas Name ins Spiel kommt. Außerdem hätte dieser Preside, wenn er von der Frau informiert wurde, sehr wahrscheinlich mit Ihnen darüber gesprochen. Und Sie wären unabsichtlich auf eine falsche Fährte gesetzt worden.«

      Als der Doktor gegangen war, machte sich Montalbano nicht die Mühe, in der Klinik anzurufen. Er war sicher, dass Marco Rampolla die Wahrheit gesagt hatte.

    Er hatte sich überlegt, dass der Gottesdienst gerade vorbei sein musste, als er zur Kirche Cristo Re ging. Er hatte Recht gehabt. Zu beiden Seiten des Portals lehnte ein Dutzend Kränze. Der Sarg wurde, gefolgt von einem Menschenstrom, aus der Kirche getragen. Der Commissario ging hin und drückte Serafino, dessen Hals mittlerweile jahrtausendealte Falten aufwies, die Hand.
      »Meine Söhne haben es nicht
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