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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin
Autoren: Kelley Armstrong
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Haus.« Er machte eine Pause. »Ich hatte wirklich nicht vor, dich so im Stich zu lassen. Stehst du's durch?«
    »Kein Problem. Sie sind so nett wie immer.«
    »Gut. Ich bin gegen sieben zu Hause. Mach dir keine Arbeit, ich bringe uns was mit. Karibisch?«
    »Du kannst karibisches Essen doch nicht ausstehen.«
    »Bußübung. Bis sieben also. Ich liebe dich.«
    Er hatte aufgelegt, bevor ich widersprechen konnte.
    »Die Kleider hättest du sehen sollen«, sagte Diane, als sie mich zu meiner Wohnung fuhr. »Einfach grauenhaft. Säcke mit Armlöchern allesamt. Designer bilden sich anscheinend ein, wenn eine Frau erst mal das Stadium erreicht hat, in dem sie ein Kleid für die Brautmutter braucht, schert sie sich sowieso nicht mehr darum, wie sie aussieht. Ich hab dieses eine absolut phantastische Dunkelblaue gefunden, wahrscheinlich für die neue junge Frau des Brautvaters gedacht, aber es spannt ein bisschen in der Taille. Ich hab mir sogar überlegt, ob ich eine Crashdiät machen soll, damit ich reinpasse, aber ich mach's nicht. Da geht es mir einfach ums Prinzip. Ich habe drei Kinder gekriegt, ich hab mir den Bauch verdient.«
    »Es muss doch irgendwo etwas Besseres geben«, sagte ich. »Hast du's mal in Geschäften versucht, die nicht auf Brautmoden spezialisiert sind?«
    »Das ist der nächste Schritt. Genau genommen wollte ich mit alldem auf die Frage raus, ob du mitkommen würdest. Die meisten von meinen Freundinnen finden Säcke mit Armlöchern phantastisch. Tarnkleidung für die mittleren Jahre. Und dann sind da noch meine Töchter, die sehen sich Sachen, bei denen man ihre Nabelringe nicht sieht, gar nicht erst an. Würde es dir was ausmachen? Ich spendiere auch das Mittagessen. Mit drei Martinis.«
    Ich lachte. »Nach drei Martinis sieht jedes Kleid gut aus.«
    Diane grinste. »Genau so war das auch gedacht. Heißt das etwa ja?«
    »Na sicher.«
    »Wunderbar. Ich rufe dich an, und wir besprechen die Details.«
    Sie bog in den Kreisverkehr vor meinem Appartementhaus ein. Ich öffnete die Autotür und besann mich noch rechtzeitig auf meine Manieren. »Möchtest du vielleicht einen Kaffee?«
    Ich war mir vollkommen sicher gewesen, dass sie höflich ablehnen würde. Stattdessen sagte sie: »Aber ja, gern. Noch eine Stunde Frieden, bevor ich zurück in den Schützengraben muss. Und eine Gelegenheit, meinem kleinen Bruder die Hölle heiß zu machen, weil er dich heute den Haien zum Fraß vorgeworfen hat!«
    Ich lachte und dirigierte sie zu den Besucherparkplätzen.
    Vielleicht habe ich einen falschen Eindruck erweckt, als ich meinen Versuch, in der Welt der Menschen zu leben, so dramatisch dargestellt habe – als ob alle Werwölfe sich selbst von der menschlichen Gesellschaft ausschlossen. Sie tun nichts dergleichen. Schon weil sie nicht anders können, leben die meisten Werwölfe in der Menschenwelt. Wenn sie sich nicht gerade zusammentun und eine Kommune in New Mexico gründen wollen, bleibt ihnen auch gar nicht viel anderes übrig. Die menschliche Welt liefert ihnen Nahrung, Unterkunft, Sex und andere Notwendigkeiten. Aber wenn sie auch in dieser Welt leben, sie betrachten sich nicht als einen Teil von ihr. In ihren Augen ist der Umgang mit Menschen kaum mehr als ein notwendiges Übel, und ihre Einstellung zu ihnen kann alles von Verachtung bis hin zu kaum verhohlener Erheiterung sein. Sie sind Schauspieler, die eine Rolle spielen; manchmal genießen sie ihre Zeit im Rampenlicht, aber in der Regel sind sie froh, wieder von der Bühne verschwinden zu können. So wollte ich nicht sein. Ich wollte in der Welt der Menschen leben und dabei ich selbst sein, so weit es mir irgend möglich war. Ich hatte dieses Leben nicht gewählt, und ich würde mich ihm ganz bestimmt nicht beugen und damit jeden meiner Zukunftsträume aufgeben, ganz normale, gewöhnliche Träume von einem Zuhause, einer Familie, einer Karriere und vor allem von Stabilität. Nichts von alldem war möglich, wenn man als Werwolf lebte.
    Ich bin in Pflegefamilien aufgewachsen. Üblen Pflegefamilien. Weil ich als Kind keine Familie gehabt hatte, fasste ich früh den Entschluss, mir selbst eine aufzubauen. Als ich zum Werwolf wurde, war es weitgehend aus mit diesen Plänen. Aber selbst wenn ein Ehemann und Kinder jetzt nicht mehr in Frage kamen, bedeutete das ja nicht, dass ich die anderen Aspekte meines Traums nicht weiterverfolgen konnte. Ich begann mir einen Namen als Journalistin zu machen. Ich schuf mir ein Zuhause in Toronto. Ich fand sogar eine
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