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Die Nacht Der Jaegerin

Die Nacht Der Jaegerin

Titel: Die Nacht Der Jaegerin
Autoren: Phil Rickman
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mich, ich will das sagen. Es ist so ähnlich wie bei einem Geselligkeitstrinker. Ich war ein ... wie würden Sie das nennen?»
    «Geselligkeitsbeter?» Merrily lächelte. «Das grenzt ja ans Märtyrerhafte, Jim.»
    «Ich will damit sagen ...» Nun wurde er doch noch rot. «Na ja, wenn das kein verdammtes Wunder ist, Merrily, dann weiß ich nicht, was eins sein soll, das ist alles.»
    Merrily versuchte ihr Lächeln beizubehalten. «Das sind große Worte.»
    Brenda warf sofort ein: «Alice hat gesagt, Sie haben auch für Percy Joyces Arthritis gebetet und ...»
    «Ja, aber das ...»
    «Und jetzt muss er keine Steroide mehr nehmen. Sie sind eine Heilerin, Merrily.»
    Das Wort hallte in Merrilys Kopf nach, als der Wasserkessel begann zu zittern und zu pfeifen und die Küchenbeleuchtung viel zu grell wirkte.
    «Ich ...» Merrily drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus. «Manchmal heilt Gott einen Menschen.»
    Manchmal.
Das war das entscheidende Wort, denn meistens wurden die Menschen
nicht
geheilt.
    Big Jim sagte leise: «Wir verstehen schon. Aber Er muss auf die richtige Art gebeten werden, oder? Was ich sagen möchte, Merrily ... während dieses Gottesdienstes ist etwas passiert, das die Konzentration der Leute gebündelt hat. Etwas ziemlich Mächtiges. Das ist eine neue Art Gottesdienst, und Sie sind eine neue Art Pfarrerin. Überhaupt nicht das, was wir gewohnt sind. Alice erzählt ...»
    Vermutlich allen.
    «Wo ist Ann-Marie jetzt gerade?»
    Brenda lächelte. «Im Pub, vermute ich. Um mit ihren Freunden zu feiern. Sie kommt bestimmt noch, um sich bei Ihnen zu bedanken ...»
    «Nein ... sehen Sie ...» Merrily stand auf. «Ich freue mich sehr für Ann-Marie und für Sie, und man könnte wirklich beinahe an ein Wunder glauben. Aber der menschliche Organismus ist an sich schon ein einziges großes Wunder, und manchmal ... Ich wäre Ihnen einfach sehr dankbar, wenn Sie über den anderen Aspekt im Moment nicht so viel sprechen würden. Erst mal. Bis ...»
    Tja, bis wann eigentlich?
    «Wir verabschieden uns jetzt», sagte Jim.
    «Aber Sie hatten doch noch gar keinen Tee. Es tut mir leid ...»
    «Wir wollten Sie ganz bestimmt nicht in Verlegenheit bringen, Merrily», sagte Brenda.
     
    Meistens nahm Lol den Immobilienteil gleich aus Profs
Hereford Times
und warf ihn auf den Papierstapel, der zum Feueranzünden gedacht war.
    Ein Holzofen in einem Tonstudio? Prof war unsicher gewesen, aber die Kundschaft mochte es. Als in einem Akustik-Song der Gitarrenlegende Tom Storey das Geräusch eines zu Asche zerfallenden Holzscheits wie ein leises Seufzen aufgestiegen war, wollte Tom es auf keinen Fall herausfiltern lassen. Tom, der am Vortag die Rückreise angetreten hatte, war in solchen Dingen sehr abergläubisch.
    An diesem Abend würde Prof im Studio arbeiten und vermutlich bis zur Morgendämmerung an Toms Aufnahmen herumfeilen. Um etwa acht Uhr abends ging Lol in den Holzschuppen, legte ein paar dicke Scheite in einen großen Korb, brachte den Korb in die Stallungen, die mittlerweile das Tonstudio beherbergten, und hockte sich vor den zweiten Ofen, um das Feuer vorzubereiten.
    Manchmal bestanden seine Pflichten im Studio nur in kleineren Haushaltsdingen und darin, eigene Songs zu komponieren. Prof störte das anscheinend nicht, Lol aber schon.
    Als er die Immobilienseiten zerknüllte, um sie ans Anmachholz zu legen, fiel ihm ein kleines Foto auf. Es zeigte ein winziges, krummes Häuschen mit einer weißen Tür. Lol stand auf und ging mit der Seite zur Lampe über dem Mischpult.
     
    LEDWARDINE
    Church Street – außergewöhnliches kleines Cottage, denkmalgeschützt, dicht am Zentrum dieses begehrten Dorfes. Wohnzimmer mit Balkendecke, Küche, zwei Schlafzimmer, Badezimmer. Nach hinten Grünfläche und Obstgärten. Unbedingt besichtigen.
     
    Lol blieb ein paar Augenblicke bewegungslos am Mischpult stehen, dann riss er die Anzeige heraus, faltete sie zusammen und schob sie in die hintere Tasche seiner Jeans. Während er den Rest des Immobilienteils in den Ofen schob, sah er sich selbst durch diese weiße Tür in das Haus gehen. Über dem Geländerpfosten am Fuße der Treppe hing ein alter Wollponcho, dann ging er weiter in das Wohnzimmer mit der niedrigen Balkendecke. Er setzte sich an Lucys Tisch am Fenster, das auf die Church Street hinausging, und zu dessen beiden Seiten Wandlampen brannten. Er hörte ein Geräusch, sah über die Schulter und hatte die fünfzehnjährige Jane Watkins vor sich, die an der
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