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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter
Autoren: Brett Mcbean
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ich dich nach Sydney mitnehmen? Ich meine, wenn du sowieso da hin willst, wieso solltest du dir da die Mühe machen, eine Mitfahrgelegenheit zu suchen? Ein bisschen Gesellschaft wäre nett, und, also, wenn du möchtest, könnte ich dich malen, wenn wir da sind.«
    Gavin erwartete, dass sie sagte: Ehrlich, Gavin, das wär' toll, aber mein Freund wartet auf mich. Ich will ihn überraschen, weißt du, und ich glaube nicht, dass er von dieser Idee so begeistert wäre. Er ist eher der gewalttätige, eifersüchtige Typ. Oder: Tut mir leid, aber ich vertraue dir nicht. Du scheinst ein netter Kerl zu sein, aber...
    »Sicher, das wäre großartig. Danke.«
    »Ehrlich?«
    »Du scheinst ein netter Kerl zu sein.«
    Gavin ignorierte den Mangel an Überzeugung in Julias Stimme und stellte sich stattdessen vor, wie er sie malen würde: welche Farben ihre Persönlichkeit am besten unterstrichen, welches der beste Winkel war; wie er ihre zarten, aber finsteren Züge einfangen konnte.
    »Ich bin fertig - wenn du so weit bist...«, sagte Julia.
    Gavin starrte auf Julias leeren Teller. »Wow, das ging fix.«
    »Ich hab doch gesagt, dass ich Hunger habe.«
    Gavin winkte der Kellnerin zu, die eilig zu ihnen herüberkam und lächelnd fragte: »Kann ich Ihnen noch etwas bringen?«
    »Nur die Rechnung.«
    Die Kellnerin verließ sie wieder. Julia griff in ihre Tasche.
    »Nein, bitte, das geht auf mich.«
    »Ich bestehe darauf. Immerhin nimmst du mich mit.«
    »Glaub mir, du tust mir damit einen Gefallen.«
    Julia richtete sich wieder auf. »Was siehst du in mir? Erinnere ich dich an jemanden?«
    »Ein bisschen schon, glaube ich. Aber du ... du hast ein wirklich erstaunliches Gesicht.«
    »Das hat noch nie jemand zu mir gesagt«, erwiderte Julia, und in ihren Augen flackerte überwältigende Traurigkeit.
    Welchen Nerv habe ich da nur getroffen?, fragte sich Gavin. War sie missbraucht worden, als sie jünger war? War sie übergewichtig und hässlich gewesen und hatte die Gemeinheiten der Mädchen und das mangelnde Interesse der Jungs nie verwunden?
    Gavin konnte so viel in ihrem Gesicht sehen und wusste doch so wenig über sie.
    Die Kellnerin kam mit der Rechnung zurück. Gavin zahlte bar.
    »Startklar?«, fragte er.
    Julia nickte. Sie nahm ihre Tasche und stand auf.
    Auch wenn Gavins Interesse an ihr nicht sexueller Natur war, konnte er nicht umhin, zu bemerken, wie ihr Hintern in ihren Jeans wackelte, als sie zur Tür ging. Und er spürte deutlich eine Bewegung im Schritt, als er an die ungefähr acht Stunden Fahrt bis nach Sydney dachte. Er würde eine ganze Weile mit ihr verbringen - eine gute Möglichkeit, jemanden näher kennenzulernen, den man eben erst getroffen hatte. Gavin wollte alles über Julia erfahren, für seine Kunst musste er einen Weg in ihre Gedanken finden; aber vielleicht fand er ja nebenbei auch einen Weg in ihre Jeans.
    Er hatte Bedenken gehabt, nach Sydney zu ziehen, aber nun sah es aus, als sei das Glück ihm hold.
    Ein Omen der Dinge, die noch kommen würden?
    Verdammt, er hoffte es wirklich.
    »Du hast wirklich Talent«, sagte Julia, als sie über den Freeway rollten.
    Er hatte ihr auf dem Parkplatz des Restaurants ein paar seiner Bilder gezeigt Er hatte Angst gehabt, sie könnten ihr nicht gefallen und sie würde seine beiden Angebote ablehnen - die Mitfahrgelegenheit nach Sydney und die Möglichkeit, für ihn Modell zu stehen - doch sie schien noch genauso entschlossen, nachdem sie seine Kunst gesehen hatte.
    »Freut mich, dass sie dir gefallen.«
    »Sie sind sehr düster, aber ich mag das.«
    Die Leute waren entweder entsetzt von seinen Werken oder fühlten sich von ihnen angezogen. Aber wie auch immer sie auf seine Kunst reagierten, Gavin war der Ansicht, dass es viel über die jeweilige Person aussagte.
    »Wenn ich ein Gesicht sehe, das mich anzieht, muss ich es malen«, bemerkte er. »Ich liebe entsetzliche Dinge - das liegt einfach in meiner Natur. Ich sehe die Dunkelheit im Licht, deshalb sind meine Bilder ziemlich ... schockierend, schätze ich.«
    Er schaute Julia an. Ihre Augen waren hinter ihrer Sonnenbrille versteckt.
    »Porträtmalerei, im traditionellen Sinne, finde ich langweilig. Ich dringe gern in die Menschen ein, in ihre Gefühle und Gedanken, ihre Vergangenheit, die Dinge, über die sie nicht gerne reden. In einigen Menschen sehe ich Wut, in anderen quälenden Schmerz. Ich versuche, diese Gefühle in meinen Werken wiederzugeben.«
    »Und wie siehst du mich?«
    Gavin lächelte, aber er kam sich
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