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Die Mutter

Die Mutter

Titel: Die Mutter
Autoren: Brett Mcbean
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brauchte, und deshalb wurde sie mir genommen.
    Ich dachte an die Nachricht, die sie an jenem Tag auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen hatte:
    Hi Mu m , ich bin 's nur. Ich schätze, du bist nicht zu Hause. Also, mir geht's gut, ich bin in Benalla und esse gerade mit diesem Typen zu Mittag, der mich mit nach Sydney nimmt Wie cool ist das denn? Er ist ganz nett, ein bisschen still vielleicht; wir haben die meiste Zeit über Familien und Filme geplaudert. Und weißt du was? Er hat dieses Tattoo auf dem Arm, ein Herz ohne Worte oder Buchstaben darin. Ist das nicht verrückt? Ich meine, stille Typen wie er haben doch keine Tattoos. Egal, jedenfalls hob ich mich gefragt: Würdest du mir ein Tattoo erlauben? So weit kommt's noch, stimmt's? Na ja, ich mach jetzt besser Schluss. Ich ruf dich wieder an, wenn ich bei Dad bin. Weißt du, ich bin echt nervös. Ihn zum ersten Mal zu sehen und so. Nun ja... Ich hoffe, dir geht's gut, mach dir keine Sorgen um mich. Ich melde mich wieder. Hab dich lieb. T s chüss.
    Ich konnte ihre süße Stimme in meinem Kopf hören, und zum ersten Mal trieb sie mir nicht die Tränen in die Augen oder zwang mich auf die Knie und ließ mich schreien wie eine Wahnsinnige.
    Mir war mit einem Mal vollkommen klar, was ich tun musste.
    Es gab so viele Dinge, die ich würde ändern müssen - nicht nur mein Aussehen, auch meine innere Einstellung, meine Persönlichkeit. Ich musste mir klarmachen, wozu ich bereit war, wie weit ich zu gehen bereit war.
    Ich würde mein altes Ich zurücklassen müssen. Ich würde einer Menge Schmerz, Demütigungen und vielleicht sogar dem Tod begegnen: Aber an diese Dinge war ich ohnehin gewöhnt
    Ich war eine starke Frau, aber ich würde noch stärker werden müssen. Ich war schlau, aber ich musste besonders clever sein, wenn ich erfolgreich sein wollte. Ich würde dort Erfolg haben, wo das Gesetz versagt hatte. Die Dinge, die ich tun musste, um das zu erreichen, waren mir ebenso egal wie die Konsequenzen.
    Die Religion lehrt uns, nicht gewalttätig zu werden. Sie lehrt uns, unseren Nächsten zu lieben und keine Sünden zu begehen. Aber die Bibel sagt auch: Auge um Auge. Ich verließ den See in dieser Nacht mit einem Gefühl der Freiheit Meine Entscheidung fühlte sich richtig an. Am nächsten Tag habe ich meinen Job gekündigt und all meine Schulden bezahlt Ich habe dafür gesorgt, all meine Verbindungen zu kappen, sodass niemand einen Grund hatte, mich zu suchen. Denen, die vielleicht doch nach mir gefragt hätten, habe ich erzählt, ich würde mal Urlaub machen und wüsste noch nicht genau, wann ich zurückkäme. Nur ich kannte die Wahrheit - dass ich nie zurückkommen würde. Die Liebe zu meiner Tochter ist nicht spezieller, aber auch nicht weniger bemerkenswert, als die irgendeiner anderen Mutter. Wir haben uns gestritten, wir haben gelacht Wenn wir uns über das Leben unterhielten, hatten wir stille Momente, in denen es schien, als gäbe es nur uns beide auf der Welt
    Es ist diese Liebe zu meiner Tochter, durch die ich jetzt, wenn ich in den Spiegel blicke, nur noch eine Fremde sehe.
    Neben der Fremden liegt meine blaue Nike-Sporttasche auf dem Boden. Früher habe ich darin meine Sportklamotten, Tennisschuhe, Handtücher und Wasserflaschen transportiert, doch jetzt ist sie voller alter Klamotten, die als Kleiderspende gedacht waren und ganz hinten im Schrank auf den berühmten passenden Moment warteten, der einfach nie kam. Sie enthält außerdem jedes einzelne paar Socken und jeden BH, den ich besitze, sowie meine Zahnbürste, Zahncreme und Deo.
    Meine Haarbürste lasse ich auf dem Nachttisch liegen. Die Fremde hat keine Verwendung dafür, nicht, seit sie ihre Haar einer Schere - ebenfalls eingepackt - ganz kurz geschnitten hat.
    Das Letzte, was die Fremde eingepackte, war ihre rosafarbene Handtasche. Darin ist meine Börse, in der sich unbedeutende aber doch unerlässliche Dinge wie ein bisschen Bargeld, eine Sonnenbrille und, am allerwichtigsten, ein Foto von Rebecca befinden
    Die Fremde trägt meine goldene Halskette mit dem Kreuz. Die Fremde hat noch ein Hühnchen mit Gott zu rupfen, eine Art Herausforderung, und diese Kette ist ihr Angebot. Mal sehen, ob er
    es annimmt.
    Natürlich wird sich die Fremde einen Namen überlegen müssen.
    Schön, Sie kennenzulernen, ich heiße Maggie.
    Schön, Sie kennenzulernen. Ich bin June.
    Schön, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Susan.
    Nein, die taugen alle nichts.
    Die Fremde hat noch jede Menge Zeit, sich einen Namen
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