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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten
Autoren: Unbekannter Autor
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der Gesellschaft?« fragte Cesare. »Sicher haben Sie doch drüben viele Bundesgenossen?«
    »Stimmt, aber die sind alle bekannt, untereinander und bei der Polizei. Früher oder später läßt sich zwischen ihnen nichts mehr geheimhalten.« Er erhob sich, ging zum Kamin und stellte sich mit dem Rücken vor das Feuer. Dabei ließ er Cesare nicht aus den Augen. »Sie müßten doch allmählich Ihre ärmliche Existenz satt haben. Ihr Leben hier ist langweilig und trübselig und paßt nicht zu Ihnen. Was würden Sie tun, wenn Sie von alledem frei wären?«
    Cesare sah hoch. »Vielleicht reisen. Ich könnte mir ein paar Autos kaufen und Rennen fahren. In Le Mans, in Turin, in Sebring.«
    Matteo lachte. »Ich meinte, wie Sie sich Ihren Lebensunterhalt verdienen würden. Sie wissen ja, daß Geld nicht ewig reicht.«
    »Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Geschäfte waren mir immer zuwider.«
    Matteo nahm eine Zigarre aus seinem Etui und zündete sie an.
    »Die leichtfertige Jugend«, sagte er. Es klang erfreulich tolerant. »Ich bin an einer Automobilfabrik beteiligt«, fuhr er fort. »Die Firma will in einigen Jahren den amerikanischen Markt erobern. Falls Sie sich bis dahin einen Ruf als Rennfahrer erworben haben, könnten Sie möglicherweise die Leitung der amerikanischen Filiale übernehmen. Würde Ihnen so etwas nicht Freude machen?«
    »Sicher«, antwortete Cesare. »Was erwartet man von mir als Gegenleistung?«
    »Gelegentliche Gefälligkeiten, weiter nichts.«
    »Was für Gefälligkeiten? Ich will mit Ihrer dummen Politik, mit Glücksspiel und Rauschgift nichts zu tun haben und.«
    »Auch nicht, wenn Ihnen das märchenhaften Reichtum einbringt?«
    »Reichtum?« Cesare lachte. »Brauche ich den denn? Ich wünsche mir nur so viel Geld, daß ich leben kann, wie’s mir gefällt.«
    Auch Matteo lachte. »Gut. Also sind Sie nicht ehrgeizig. Ein weiterer Vorzug. Weil sich dann niemand vor Ihnen zu fürchten braucht.«
    Cesare ergriff wieder sein Glas. »Sie haben mir noch nicht gesagt, welche Gefälligkeiten Sie von mir erwarten würden.«
    Matteo sah ihn fest an, und Cesare wich dem Blick nicht aus. »Nur einen Gegendienst für den Gefallen, den ich Ihnen erweise, wenn Ihr Onkel morgen abend stirbt, während Sie beim Fechtturnier sind.«
    Eine längere Pause trat ein, dann sagte Cesare lächelnd: »Gut, ich bin einverstanden.«
    Matteos Gesicht wurde ernst. »Sind Sie bereit, den Eid der Gesellschaft zu schwören?«
    »Ja.«
    »Haben Sie ein Messer bei sich?« fragte Matteo.
    Plötzlich lag ein Stilett in Cesares Hand. Matteo betrachtete es fasziniert. Cesare drehte es lächelnd in der Handfläche um und hielt es ihm hin, den Griff nach vorn. »Dies ist mein Bruder«, sagte er. »Wir sind immer zusammen.«
    Er ließ die Hand ausgestreckt, Matteo legte seine Linke flach darauf und stach schnell mit dem Stilett in Cesares und den eigenen Zeigefinger. Das hervorquellende Blut vermischte sich auf ihren Handflächen.
    Matteo sah ihn an. »Nun, da unser Blut ineinandergeflossen ist, gehören wir zur selben Familie. Ich bin bereit, für dich zu sterben.«
    »Und ich bin bereit, für dich zu sterben«, wiederholte Cesare.
    Matteo ließ Cesares Hand los und gab ihm das Stilett zurück. Dann sog er an seinem Zeigefinger. »Von jetzt ab, Neffe, werden wir uns nur wiedertreffen, wenn ich es wünsche.«
    Cesare nickte. »Jawohl, Onkel.«
    »Solltest du es für nötig halten, dich mit mir in Verbindung zu setzen, wirst du eine Mitteilung an den Posthalter im Dorf schicken. Ich nehme dann Kontakt mit dir auf.«
    »Ich verstehe, Onkel.«
    Das war vor fast zwölf Jahren gewesen. Wie Matteo gesagt hatte, starb Raimondi am folgenden Abend, als Cesare auswärts bei einem Fechtturnier war.
    Die nächsten fünf Jahre waren schnell vergangen, mit Rennen und Autofahrten, mit Bällen und Liebesaffären. Und 1953 bekam er dann, wie Emilio vorausgesagt hatte, das Angebot, die amerikanische Generalvertretung der Autofirma zu übernehmen. In der Presse wurde seine Berufung auf diesen Posten ausführlich behandelt. Sein abenteuerliches Leben und seine tollkühnen Rennen hatten ihn zu einer internationalen Berühmtheit gemacht. Zweimal duellierte er sich um Frauen.
    Für Amerika war er ein Mann aus einer anderen Welt.
    Nur einmal in den ganzen zwölf Jahren hatte er Matteo wiedergesehen. Er hörte erst wieder von ihm, als ihm kurz vor dem Start zu einem Autorennen ein Brief in die Hand gedrückt wurde mit der Aufforderung, sich sofort zum Schloß
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