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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten
Autoren: Unbekannter Autor
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vorzustellen. - Signor Matteo aus Amerika«, sagte er zu Cesare.
    Matteo musterte ihn aufmerksam und fragte: »Major Cardinali?«
    Cesare nickte. »Das war ich während des Krieges.«
    »Von Ihnen habe ich schon gehört«, sagte Matteo.
    Nun war es Cesare, der gern noch mehr gefragt hätte, denn es gab nur sehr wenige Leute, die von ihm während des Krieges gehört hatten. Nur Personen, die in bestimmte Geheimsachen eingeweiht waren. Wieviel mochte Matteo davon wissen? »Das ehrt mich«, erwiderte er nur.
    Raimondi aber wollte zum Geschäftlichen übergehen. Mit einer herrischen Geste entließ er Cesare. »Komm morgen wieder, dann will ich sehen, ob wir Geld genug haben, um dich zu deinem lächerlichen Fechtturnier fahren zu lassen.«
    Cesare preßte die Lippen zusammen, seine blauen Augen wurden fast schwarz, der Blick kalt, und für einen Moment spannten sich seine Muskeln. Eines Tages würde der Onkel zu weit gehen. Cesare fühlte Matteos Blick auf sich ruhen, als er zur Tür schritt.
    Gio hatte in der Bibliothek Feuer angemacht. Cesare stand mit einem Glas Kognak vor dem Kamin.
    »In einer halben Stunde kann ich das Abendessen servieren«, sagte der Diener.
    Cesare nickte. Er dachte an die Nachricht, die ihn hierhergerufen hatte: die ihn vom Autorennen wegholte und das mit Ileana vereinbarte Treffen an der Riviera durchkreuzte. Beim Gedanken an Ileana, lächelte er vor sich hin. Diese rumänischen Frauen, vor allem die mit den großen Titeln, die wie Halbweltdamen lebten, hatten so ihre besonderen Reize.
    Gio öffnete die Tür der Bibliothek. »Das Souper ist bereit, Euer Gnaden.«
    Fünftes Kapitel
    Tischtuch und Servietten waren schneeweiß, aus feinem Damast, die Kerzen verbreiteten goldenes Licht, das polierte Silber schimmerte. Gio servierte kalten, in Streifen geschnittenen Aal, und auf der Kredenz wartete über einem Rechaud die Schüssel mit den dampfend heißen, köstlichen Scampi.
    Gio hatte seine violette Butlerlivree mit den grünen Borten angezogen und stand, den Stuhl für Cesare haltend, stolz am Kopfende des langen, weißen Tisches.
    Cesare nahm Platz und griff nach einer Serviette. »Mein Kompliment, Gio. Du bist wirklich ein Genie.«
    Der Greis verneigte sich. »Ich gebe mir Mühe, Euer Gnaden«, erwiderte er und öffnete eine Flasche weißen Orvieto. »Es ist ja nicht wie in alter Zeit, als der Tisch zum Souper immer besetzt war. Lange her ist das schon.«
    Cesare kostete von dem Wein und nickte. Ja, lange her war es. Er blickte abwesend auf seinen Teller.
    So war es nach dem Kriege nicht gewesen. Damals konnten sie von Glück sagen, wenn sie etwas zu essen hatten, geschweige denn ein Tischtuch. Er entsann sich gut des Abends, als Matteo gekommen war, um mit ihm zu sprechen. Und zwar noch am selben Tag, an dem er ihn in der Bank seines Onkels kennengelernt hatte.
    Draußen war plötzlich ein Auto zu hören gewesen. Gio war zur Haustür gegangen und sogleich wieder erschienen. »Signor Matteo möchte Euer Gnaden besuchen«, meldete er.
    »Bitte ihn herein, Gio.«
    Matteo war eingetreten und hatte mit seinem schnellen Blick sofort die ganze Szenerie erfaßt: den ungedeckten Tisch, das armselige Essen, die stählernen Bestecke. Sein Gesicht verriet jedoch nichts. Cesare bat ihn, sich zu setzen und mitzuessen. Matteo nahm Platz und dankte. Nein, gegessen habe er schon.
    Nach dem Austausch der üblichen Höflichkeiten räumte Gio den Tisch ab. Cesare biß in einen Apfel.
    Matteo betrachtete ihn; das hagere, markante Gesicht mit den dunkelblauen Augen, die kräftigen Kinnladen, die gefährlich starken Handgelenke und Hände.
    »Sprechen Sie Englisch, Major?« fragte er.
    Cesare nickte. »Ich bin vor dem Krieg in England erzogen worden«, antwortete er, ebenfalls auf englisch.
    »Gut«, sagte Matteo, »also werden wir uns, wenn’s Ihnen recht ist, in dieser Sprache unterhalten. Mein Italienisch. nun ja. als ich das Land verließ, war ich drei Jahre alt.«
    »Mir ist es recht«, erklärte Cesare.
    »Vermutlich wundern Sie sich, warum ich hergekommen bin?« Matteo machte eine Geste, die gleichsam das ganze Schloß umfassen sollte. »Mein Vater erzählte mir immer von den Schönheiten des Castello Cardinali und davon, daß die Leute im Dorf, wenn sie hinaufschauten, hier alles in hellem Lichterglanz sahen.«
    Cesare legte das Apfelgehäuse beiseite und zuckte die Achseln. »Der Krieg und seine Folgen«, sagte er.
    »Oder die günstige Gelegenheit, die Ihr Onkel erkannte«, entgegnete Matteo
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