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Die Mondscheinbaeckerin

Die Mondscheinbaeckerin

Titel: Die Mondscheinbaeckerin
Autoren: Sarah Addison Allen
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letzter Zeit nicht mehr so rastlos wie früher.
    Jeden Tag um fünf verließ Julia das Haus mit dem Kuchen, den sie gerade gebacken hatte. Am siebten Tag fragte Emily schließlich Stella, wohin Julia all die Kuchen bringe. Anfangs hatte sie noch geglaubt, dass sie mit ihnen in ihr Lokal fuhr, aber als sie gemerkt hatte, dass Julia abends nie nach Hause zurückkehrte, war sie stutzig geworden.
    Â»Sie bringt sie Sawyer«, antwortete Stella.
    Â»Isst er den ganzen Kuchen?«
    Â»Keine Sorge. Der verbrennt die Kalorien gleich wieder.« Als Stella klar wurde, was Emily dachte, fügte sie hinzu: »Bitte löschen. Ich hab nichts gesagt.«
    Emily saß in Julias Abwesenheit gern mit Stella auf der hinteren Veranda, wenn der Tag allmählich zur Neige ging und sie auf das Abendessen mit ihrem Großvater wartete. Manchmal erzählte Stella von Emilys Mutter. Sie war eine begnadete Geschichtenerzählerin und hatte eine bewegte Vergangenheit, eine tolle Kombination. Und sie schien mit ihrem gegenwärtigen Leben zufrieden zu sein.
    Als Emily sich in der trägen Hitze auf den Heimweg machte, begegnete sie zwar vielen Touristen, aber in den Wohnvierteln herrschte Ruhe. Aus den Häusern drang lediglich hier und da das Brummen eines Ventilators oder einer Klimaanlage. Alle schienen in Reglosigkeit darauf zu warten, dass sich etwas tat.
    Und an jenem Abend war es so weit.
    Bei Einbruch der Dunkelheit entlud sich ein höllisches Gewitter. Es setzte so schnell ein, dass Emily und Vance durchs Haus rennen mussten, um die Fenster zu schließen. Sie taten es lachend, machten ein Spiel daraus und beobachteten dann von der vorderen Veranda aus, wie der Regen herniederprasselte. Das Ende dieses Tages fühlte sich an wie das Ende einer Geschichte, und das stimmte Emily traurig. Sie dachte sich Gründe aus, weiter mit Opa Vance aufbleiben zu können. Sie spielten Karten und schauten Fotoalben mit zahllosen Bildern ihrer Mutter an, die Vance wie aus dem Nichts hervorzauberte.
    Schließlich sagte Opa Vance, er sei müde, und sie wünschte ihm eine gute Nacht und ging in ihr Zimmer, wo ihr auffiel, dass sie vergessen hatte, die Balkontüren zu schließen. Der Wind wehte den Regen herein, auf dem Boden stand das Wasser. Sie brauchte fast eine Stunde, um Boden, Türen, Wände und Möbel trocken zu wischen. Am Ende warf sie die nassen Tücher in die Badewanne, zog die nasse Kleidung aus und ihr Baumwollnachthemd an und schlüpfte, weil es deutlich abgekühlt hatte, unter die Bettdecke. Die Tropfen am Fenster hörten sich an, als würde es Münzen regnen.
    Ein paar Stunden später wachte sie auf. Alles war ruhig, eine seltsame Ruhe, die sich anfühlte wie ein nicht zu Ende geführter Satz. Das Gewitter war weitergezogen, und im Zimmer war es unangenehm warm.
    Als sie die Augen aufschlug, sah sie, dass Mondlicht durch den Spalt zwischen den Vorhängen an den geschlossenen Balkontüren hereinfiel. Sie stand auf, um die Türen zu öffnen. Die Äste der Bäume waren so schwer vom Regenwasser, dass sie bis zum Balkon herabhingen. Trotz der schwülen Südstaatennacht ließ das Mondlicht, das sich auf den nassen Oberflächen spiegelte, die Umgebung erscheinen, als wäre sie mit Eis bedeckt.
    Anfangs war Emily der Ort so fremd vorgekommen; sie hatte nicht geahnt, dass sie Mullaby einmal lieben würde.
    Denn seit ihrer Ankunft hatten sich merkwürdige und wunderbare Dinge ereignet.
    Das Licht des Mondes, das den Türrahmen umspielte, leuchtete ein kleines Stück in den Raum hinein, weit genug, um erkennen zu können, dass die Mondphasentapete verschwunden war. Jetzt hatte die Wand eine unbestimmbare dunkle Farbe, die von langen gelben Streifen durchbrochen wurde. Das erinnerte Emily an Türen und Fenster, die sich öffneten und Licht hereinließen. Für gewöhnlich spiegelte die Tapete ihre Stimmung oder Situation wider – aber was sollte das bedeuten? Dass sich eine neue Tür öffnete? Dass etwas befreit wurde?
    Als Emily schließlich klar wurde, was es bedeutete, drehte sie sich um und suchte mit Blicken nach ihm, bis sie ihn fand.
    Win saß, die Ellbogen auf den Knien, die Hände verschränkt, auf dem Sofa gegenüber von ihrem Bett.
    Â»Der Hausarrest war um Mitternacht zu Ende«, erklärte er.
    Ihr Herz machte vor Freude einen Satz. Trotzdem fühlte sie sich merkwürdig befangen. »Du wolltest da warten,
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