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Die Merowinger - Zorn der Götter

Die Merowinger - Zorn der Götter

Titel: Die Merowinger - Zorn der Götter
Autoren: Robert Gordian
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die Überbringerin des Schreibens, Donata, die bisher in einem Kloster bei Genf gelebt habe, mit einer hochwichtigen Botschaft an die Königin Chlotilde nach Soissons schicke. Er bat seinen Bruder Remigius, die fromme Frau (»die dir wahrscheinlich unter einem anderen Namen bekannt ist«) unter Wahrung höchster Diskretion der hohen Herrin vorzustellen. Das Weiteren forderte er ihn auf, ihr seinen Beistand zu gewähren und sie vor Angriffen und Verfolgung zu schützen.
    »Sehr merkwürdig«, murmelte Remigius. »Wirklich … sehr merkwürdig. Also … du willst die Königin sprechen. Darf ich wissen, worin die hochwichtige Angelegenheit besteht?«
    »Du bist misstrauisch«, sagte die Griechin Scylla, die sich nun Donata nannte. »Dafür habe ich Verständnis. Dieses Misstrauen muss ich dir nehmen, bevor du alles erfährst. Darf ich mich zu dir setzen?«
    Der Bischof rückte ans Ende der kurzen Bank, und sie ließ sich neben ihm nieder. Ein arg zerkratzter Faun aus Bronze, der wohl schon mehr als hundert Jahre an dieser Stelle des Gartens tanzte, sah ihr grinsend über die Schulter. Sie seufzte, schlug unfromm die langen Beine übereinander, legte ihre kostbar beringte Hand aufs Herz und sagte:
    »Ich werde vollkommen aufrichtig zu dir sein! Du wirst nichts als die Wahrheit von mir erfahren. Wenn du etwas Zeit für mich hast, sollst du meine Geschichte hören.«
    »Wer von Avitus kommt, hat Anspruch, von mir gehört zu werden«, sagte der Bischof reserviert.
    »Also höre«, begann die Griechin. »Wie Syagrius endete, der letzte römische Statthalter in Gallien, weißt du ja. Sein Kampf war aussichtslos, und ich will heute nicht mehr darüber streiten, ob er gerecht war oder nicht. Was habe ich damals durchmachen müssen, weil ich die ganzen Jahre treu zu ihm hielt! Unsere Flucht zu den Westgoten war ein Fehler, aber das konnten wir nicht voraussehen. Seinen Tod hat Alarich auf dem Gewissen, der sich von Chlodwig, euerm König, erpressen ließ. Ich wollte Syagrius retten. Ich warf mich Alarich zu Füßen. Ich bot ihm mein eigenes Opfer an, das die Franken vielleicht zufriedengestellt hätte. Denn ich galt ja bei ihnen als böse Schlange, und immer wieder hatten sie meine Auslieferung verlangt. Aber Alarich ließ sich nicht erweichen. Ich musste hilflos mit ansehen, wie man den Mann, der mich einmal zur Kaiserin machen wollte, in ein Boot warf und der Hinrichtung überantwortete.«
    Sie seufzte abermals und zerdrückte eine Träne.
    »Ich kenne die Geschichte ein wenig anders«, sagte Remigius ironisch. »Du wolltest wohl damals schon längst nicht mehr Kaiserin, sondern lieber Königin werden.«
    Scylla-Donata lachte verächtlich auf.
    »Oh, ich weiß schon, wer dir das zutrug! Es war der Diakon Chundo, der mich immer hasste, weil ich sein Treiben für gefährlich und schädlich hielt. Was er tat, wurde auch Syagrius angelastet und brachte ihn in Verruf – bei den Goten und bei den Franken. Deshalb trägt Chundo auch einen Großteil der Schuld an Syagrius’ Tod! Er soll ja jetzt hier in der Umgebung der Königin sein. Ich bitte dich, sorge dafür, dass mir der Anblick dieses Verleumders erspart bleibt!«
    »Das heißt wohl eher, du möchtest vermeiden, von ihm gesehen zu werden.«
    »Urteile selbst, wenn du alles gehört hast! Ja, so viel ist wahr, später wurde ich die Geliebte des Königs. Aber erst nach dem Tod des Syagrius! Es war mir nun einmal bestimmt, in Herrschern über Länder und Völker das Feuer der Liebe zu entflammen. Muss ich dafür verdammt werden? Und ich frage dich: Konnte ich ihn denn abweisen? Er wusste sehr gut, dass die Franken auch mich haben wollten. Aber wäre mein Opfer noch sinnvoll gewesen? Ich war nun nichts mehr als eine arme, hilflose Fremde, ohne Schutz, ohne Halt. Sollte ich mich in einem Freudentempel verdingen oder Syagrius ins Wasser folgen?«
    »Ich verstehe. Nur aus Not und Verzweiflung wurdest du Alarichs Geliebte.«
    »Deinen Spott habe ich nicht verdient. Und ich habe keinen Grund, mich zu schämen. Alarich versprach mir, er werde mich zu seiner legitimen Gemahlin und Königin der Westgoten machen, wenn ich ihm einen Sohn schenke. Ich vertraute seinem königlichen Wort – und er bekam seinen Sohn. Der ist jetzt sechs Jahre alt und heißt Gesalich. Seit drei Jahren habe ich ihn nicht mehr gesehen!«
    Sie seufzte tief und verbarg ihr Gesicht einen Augenblick hinter dem Schleier.
    »Ich liebte den König, aber leider ist er ein Schwächling«, fuhr sie fort, nachdem sie sich
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