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Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Titel: Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis
Autoren: Robert Gordian
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umflossene Sumpfburg zu. Auf einem flachen Hügel, den der angeschwemmte Sand des Flusses gebildet hatte, stand diese Grenzfestung der nördlichen Thüringer, ohne Mauern, doch gut gesichert durch Graben, Wall und Palisadenzaun. Man nannte sie Ovesfeld, weil in der Sprache der Germanen eine Wieseninsel mit ove bezeichnet wurde und feld eben oder flach hieß.
    Als die drei Männer hinter den Erlensträuchern auftauchten, schrie die Frau an der Seite des Wächters auf.
    »Eggo! Wahrhaftig, er ist es! Aber warum … Was bedeutet das? Was ist da passiert?«
    »Das muss noch gar nichts bedeuten, Herrin«, sagte der Wächter.  »Vielleicht wurde er abgesprengt und zur Flucht genötigt.«
    »Er ist nicht mal zu Pferde.«
    »Das haben sie ihm vielleicht weggeschossen. Oder es ist in diesem verdammten Morast versunken.« Die drei Männer mit dem Wagen waren auf knapp zweihundert Schritte an die Wallburg herangekommen. Der Hinkende klammerte sich an die Deichsel, und plötzlich knickten seine Knie ein, und er fiel hin. Der Wagen rutschte in eine Mulde. Der mit dem blutdurchtränkten Kopfverband wurde herausgeschleudert.
    Die Frau und der Wächter vernahmen den Schrei und sahen nun, dass dem Mann ein Arm fehlte. Der Große, den sie Eggo nannten, beugte sich erst über ihn, dann über den Gestürzten. Schließlich blickte er herüber zur Wallburg und maß die Entfernung. Er entschied, die Verwundeten erst einmal zurückzulassen und das letzte kurze Stück Weges allein zu machen.
    »Er wird uns Schlimmes verkünden«, flüsterte die Frau. »Ich fühle es, das bedeutet Unheil. Bei Wodan und Frigg, es ist alles verloren!«
    »Beruhige dich, Herrin«, sagte der Wächter. »Unser Heer ist unschlagbar. Dein Gemahl, unser tapferer König …«
    »Er hat alles verdorben!«, schrie sie. »Ich wusste, dass er alles verderben wird!«
    Der Wächter wollte noch etwas sagen, aber sie hatte schon den Rücken gewandt. So behende, wie sie heraufgekommen war, kletterte sie die hohe Leiter hinab. Unten raffte sie ihr Kleid und lief aus dem Hause. Betroffen blickten die Frauen ihr nach. Sie hatten die Frau Königin Amalaberga noch niemals die Röcke raffen und rennen sehen. Auch die Wächter, die am Tor dösten, rissen die Augen auf, als sie die Königin mit wehenden Haaren auf sich zueilen sahen.
    »Öffnen!«, schrie sie. »Den Riegel zurück! Schlaft ihr Kerle? Seht ihr denn nicht, wer dort kommt?«
    Die Männer beeilten sich. Sie stürmte hinaus. In der Hast trat sie in ein Wasserloch. Schlamm spritzte auf. Sie hatte sich den Fuß vertreten, fluchte, humpelte ein paar Schritte beiseite und lehnte sich an einen Birkenstamm. So erwartete sie den Mann, der sich näherte. Er tauchte wankend, beide Fäuste auf die keuchende Brust gepresst, hinter einem Ufergebüsch der Aller auf.
    »Eggo!«, schrie sie. »Wo kommst du her? Warum bist du allein? Wie siehst du aus? Rede! Rede doch endlich! Wo sind deine Leute? Wo ist mein Gemahl? Was ist passiert?«
    Der Mann stand vor ihr und versuchte, sich trotz seines kläglichen Zustands eine respektvolle Haltung zu geben. Über seine nackte Brust lief der Schweiß in Bächen, Strähnen des grauen Haars klebten in seinem wettergebräunten Gesicht.
    »Alles aus, Herrin, alles aus!«, brachte er schwer atmend hervor. »Das Heer … aufgerieben, vernichtet. Wer sich noch retten kann, rettet sich. Der Franke hat seine Rache bekommen.«
    »Und der König? Wo ist er?«
    »Da unten irgendwo, nach Süden zu«, sagte Eggo, wobei er mit Anstrengung den Arm hob und vage in eine Richtung deutete. »Er wird wohl versuchen, die Reste zu sammeln … was überlebt hat, es sind nicht viele …«
    »Und warum kommt er nicht her?«
    »Vielleicht geht es nicht mehr, ich weiß es nicht … der Feind ist schon überall … Ich habe ihn aus den Augen verloren … Er wird versuchen, sich in unsere Stammlande durchzuschlagen … in die Berge …«
    »In die Berge?«, schrie sie. »Aber er weiß doch, dass ich hier bin! Will er mich in dieser Ödnis verkommen lassen? Soll ich den Franken in die Hände fallen?«
    »Das will er bestimmt nicht, Herrin … aber die Umstände … das Beste wird sein, du brichst sofort auf und folgst ihm … sie können ja morgen … vielleicht heute Abend schon hier sein!«
    »Heute schon? O Götter, womit habe ich so viel Unglück verdient! Und meine Kinder … was wird aus den Kindern? Ich habe ihm niemals vertraut, und nun lässt er uns grausam im Stich!«
    »Glaub mir, Herrin, der König hat alles getan,
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