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Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Titel: Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis
Autoren: Robert Gordian
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Knaben und zerrte ihn weg.
    »Sieh nicht hin! Nichts für dich … Lass den hier am Leben, Bruder! Lass ihn am Leben! Er ist doch erst sieben Jahre alt, was kann er tun …«
    Chlothar schleuderte den Leichnam von sich und stürzte herbei.
    »Her mit ihm!«
    »Nein, nein!«, rief Childebert. »Diesen nicht!«
    »Lass ihn los!«, kreischte Chlothar.
    »Wirf erst den Dolch fort!«
    »Her mit dem Teufelsbraten! Oder du selber bist dran!«
    »Sei doch vernünftig! Sei barmherzig!«
    »Zu meinem Schaden? Loslassen, sage ich!«
    »Ich will nicht, Onkel!«, schrie Gunthari.
    »Warum denn? Warum denn? Was hab ich getan? Nein, ich will nicht! Nicht sterben!«
    »Stoß ihn weg! Lass ihn los, du Jammerlappen, oder …«
    »Da hast du ihn. Was für ein Rohling du bist! Ein Scheusal, ein Ungeheuer! Ein Teufel!«
    König Childebert wandte sich ab, bedeckte sein Gesicht mit den Händen und schluchzte.
    Der kleine Gunthari sank tot neben seinem Bruder Theudowald hin. König Chlothar wischte seinen Dolch sorgfältig an dem Ziegenbalg ab und steckte ihn wieder an den Gürtel.

    ***

    In diesem Augenblick des Jahres 524 vergrößert jeder der beiden Frankenkönige sein Territorium um etwa die Hälfte. Das Reich von Orléans, das Chlodomer von seinem Vater Chlodwig geerbt hatte, teilen die beiden Kindermörder nach jahrelangen Streitereien um Burgen, Städte, Dörfer, Klöster, Flüsse, Seen und Wälder unter sich auf. Ihrer Mutter bleibt nur der verzweifelte Rückzug nach Tours in den Schutz des heiligen Martin.
    Sieben Jahre vergehen.
    Diesmal verbündet sich Chlothar, land- und beutegierig wie je, mit seinem Halbbruder Theuderich, dem Ältesten der vier Erben Chlodwigs. Gemeinsam reiten sie im Jahre 531 gen Osten – gegen das Reich der Thüringer …

    ***

    Kapitel 2

    Von weitem hatte der Mann am Ausguck die drei für Bauern gehalten. Einer zog, ein Zweiter schob den Wagen mit dicken Scheibenrädern, die in dem weichen Boden die schon von anderen solchen Wagen gezogene Spur vertieften und verbreiterten. Den Dritten entdeckte der Wächter erst, als er den Kopf aus dem Stroh erhob, mit dem das Gefährt beladen war. Seine Stirn war mit einem Tuch umwunden, vielleicht zum Schutz gegen die Sonne. Die beiden Männer, die den Wagen bewegten, waren fast nackt. Der eine trug nur ein zerrissenes Hemd, der andere eine bis knapp zu den Knien reichende Hose.
    Es war ein Sommertag. Die Luft hier am südlichen Rande des großen Sumpfes war feucht, schwer und heiß.
    Bald erkannten aber die scharfen Augen des Wächters, dass die drei nicht nur Landvolk mit einer Fuhre Stroh waren. Das Tuch um den Kopf des Mannes auf dem Wagen war voller dunkler Flecke, das musste Blut sein. Der an der Deichsel hinkte stark und schleppte sich kaum noch vorwärts. Alle Augenblicke hielten sie an, um zu verschnaufen. Größte Mühe bereitete ihnen jedes Mal, die mit fauligem Wasser gefüllten Erdmulden zu umgehen.
    Der Schiebende schien noch am ehesten bei Kräften zu sein, und bald war auch auszumachen, dass er am Gürtel, der seine Hose hielt, ein kurzes Schwert trug. Und als sie jetzt wieder anhielten und er sich aufrichtete und mit einer ruckenden Kopfbewegung das Haar zurückwarf, erschrak der Wächter.
    »Eggo«, murmelte er. »Es ist Eggo!«
    Der Wächter hockte hoch oben im Gebälk des Herrenhauses, an der westlichen Giebelwand, wo der Ausguck errichtet war. Er warf einen raschen Blick hinter sich und nach unten.
    »Herrin!«, rief er der dunkelhaarigen Frau zu, die in dem großen, kahlen Raum im Kreis ihrer Dienerinnen beim Spinnen saß. »Da kommt Eggo! Ich erkenne ihn gut – er muss es sein. Ja, er ist es!«
    Die Frau blickte auf und schrie zurück: »Wer, sagst du? Eggo? Ist es der Schieler?«
    »Nein, der andere, sein Vetter. Der große! Der die aus dem Harzgebirge anführt!«
    »Kommt er mit Beute? Mit Gefangenen?«
    »Er kommt allein.«
    »Wie? Ganz allein?«
    »Mit zwei Verwundeten. Ich erkenne sie nicht, aber es müssen Unsrige sein.«
    Die Frau erschrak, und ohne sich lange zu bedenken, erklomm sie die Leiter und stand im nächsten Augenblick auf der schmalen, von drei Bohlen gebildeten Plattform des Ausgucks.
    Angestrengt spähte sie in die Richtung, die ihr der Wächter wies, konnte aber im ersten Augenblick nichts erkennen, weil die Gruppe mit dem Wagen hinter Erlengesträuch verschwunden war. Der Weg nach Westen, der sich nach einer Meile im Wald verlor, folgte den Windungen der Aller und führte auf die von zwei Armen des Gewässers
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