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Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu

Titel: Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu
Autoren: Hideo Okuda
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halber.
    »Das ham’ wir schon gesagt. Wir richten uns nach’m Doktor. Was wir wollen, ist ein Altenpflegeheim.«
    Alle schwiegen betreten. Das war die Stimme einer Inselbewohnerin, die man nicht ignorieren konnte. Nicht nur für die Alten, auch für die Jungen, die die Insel verließen, war der Bau einer solchen Einrichtung wichtig, und es war die Aufgabe der Politik, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Wohlfahrt und medizinische Versorgung durften nicht einfach nur zur Wahlkampfmunition verkommen. Ryōhei war in Anbetracht seiner eigenen Machtlosigkeit peinlich berührt.
    »Haben Sie das gehört? Die richten sich nach mir, huhuhu«, prustete Irabu.
    »Was reden Sie da? Sie sind weder ein Kandidat noch haben Sie ein Wahlrecht.« Ryōhei blickte Irabu abschätzig an. Alle außer Irabu stießen einen Seufzer aus.
    »Aber wenn der Wunsch nach einem Altenpflegeheim von allen Seiten so stark ist, warum tun die beiden Lager sich nicht zusammen und geben gemeinsam ein öffentliches Versprechen ab?«, fuhr Ryōhei fort.
    »So läuft das nich’«, erwiderte Tokumoto.
    »Warum denn nicht? Ist doch gleich, wer gewinnt, solange das Pflegeheim gebaut wird. Man kann doch andere Themen finden, die bei der Wahl den Ausschlag geben.«

    »Jetzt hör mal genau zu. Wenn wir beide die gleichen Wahlkampfversprechen abgeben, dann geht gar nix. ›Nur mit uns!‹, verspricht man und nimmt ein Projekt in Angriff. Das ist das, was Politiker machen. Wenn alle dasselbe versprechen, dann wird das in alle Ewigkeit nach hinten verschoben.«
    »Was ist denn das für eine Logik?«
    »Du bist naiv«, fuhr Iwata Ryōhei an. »Senju ist’ne weit abgeschiedene Insel. Keine Bodenschätze, wenig Einnahmequellen, und unter normalen Umständen würden die Bewohner der Insel am Hungertuch nagen. Aber gerade wegen der Wahl schaffen wir es mit Ach und Krach, ein zivilisiertes Leben mit einer vernünftigen Infrastruktur zu führen. Bei einem flauem Wahlkampf macht ein Bürgermeister gar nix. Und im Rathaus läuft die Arbeit auf Sparflamme. Aber mit einem Erbfeind vor Augen, der jederzeit die Stimmverhältnisse zu seinen Gunsten wenden kann, ist man bereit, alles für den Dienst an der Allgemeinheit zu geben. Und dazu gehört ein Wahlversprechen, das nur eine Partei gibt. Mit einem Gefühl für Gerechtigkeit allein kann man eine kleine, abgeschiedene Insel nicht verwalten. Unrecht ist hier der Schutz der Gerechtigkeit. Das versteht natürlich einer aus Tokio nicht, für den Krankenhaus und Schule von Geburt an etwas Selbstverständliches sind.«
    Ryōhei schwieg betreten, und sein erhitztes Gesicht kühlte sich schlagartig ab.
    »Wir alle lieben unsere Insel. Und gerade deswegen kämpfen wir für sie«, fügte Iwata am Schluss noch hinzu.
    Die Männer beider Lager nickten bei diesen Worten. Obwohl Feinde, waren sie in diesem Augenblick Herzensbrüder.
    Ryōhei wusste endgültig nicht mehr, was er darauf noch erwidern konnte. Sogar Irabu machte ein ernsthaftes Gesicht und verhielt sich schweigend.

    »Na gut, heute soll Waffenstillstand sein und morgen geht’s wieder los. Alle einverstanden?«
    »Hauptsache, ihr versucht vorher nicht irgendwelche krummen Dinger. Das soll’n fairer Schlagabtausch wer’n«, antwortete Iwata.
    »Das sagt grad der Richtige, du Depp.«
    Die Männer erhoben sich.
    »Bis morgen dann, Herr Doktor«, sagten beide und verließen das Sprechzimmer. Draußen im Wartesaal saßen die Senioren mit besorgten Mienen. Ihnen allen stand die Bürde des Lebens in die Gesichter geschrieben. Sie sahen Irabu mit Blicken an, die besagten: »Jetzt liegt es bei dir.«
    »Herr Miyazaki, haben Sie etwas dagegen, wenn ich nach Tokio zurückkehre?«, sagte Irabu schwermütig. »Irgendwie ist mir das alles plötzlich zu aufreibend geworden. Ich sorge auch rasch für einen Ersatz.«
    »Jetzt nehmen Sie sich aber zusammen!«, herrschte Ryōhei ihn böse an. »Da reden Sie die ganze Zeit, wie es Ihnen in den Sinn kommt, und nun auf einmal das!«
    »Mir ist das alles zu viel. Ich habe keine Lust, über das Schicksal von anderen Menschen zu entscheiden«, wand sich Irabu mit süßlicher Stimme.
    Ryōhei fühlte auf einmal solch einen Zorn, dass er dem neben ihm sitzenden Irabu am liebsten einen Fausthieb verpasst hätte.
    Im nächsten Moment hörte er einen Schlag wie von einem Gong, der durchs Zimmer hallte. Er blickte sich um und sah Mayumi breitbeinig mit einer metallenen Bettpfanne in der Hand hinter Irabu stehen.
    »Autsch! … Mayumi, warum machst
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