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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin
Autoren: Jeffery Deaver
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ihren richtigen Namen, nicht »Sarah«.
    Der Mann begrüßte sie mit hochgezogener Augenbraue und erneut einem förmlichen Händedruck. Dann halfen er und Dance seiner Schwester beim Einsteigen und schlossen die Tür.
    Samantha stieg auf das Trittbrett. »Linda, vergiss nicht: Hubschrauber.«
    »Auf Wiedersehen, Sam«, sagte die Frau. »Ich werde für dich beten.«
    Dann fuhren die Geschwister ohne weitere Worte oder Gesten davon.
    Samantha und Dance sahen sie die gewundene Zufahrt hinunterrollen, während die Rückleuchten als glühende Punkte im Nebel immer schwächer wurden.
    »Wann kommt Ihr Mann an?«, fragte Kathryn, nachdem die beiden weg waren.
    »Er ist vor einer Stunde in San Jose aufgebrochen. Ziemlich bald, schätze ich.«
    »Möchten Sie die Hütte noch für eine Nacht behalten?«
    »Gern. Vielen Dank.« Sam deutete in Richtung des Pick-ups. »Glauben Sie, Linda wird anrufen?«
    Kathryn Dance konnte die Frage nicht beantworten, trotz all ihrer Erfahrung als Ermittlerin und ihrem geschulten Blick für Körpersprache. »Sie hat Ihre Karte immerhin nicht weggeworfen, oder?«, war alles, was ihr dazu einfiel.
    »Noch nicht«, sagte Samantha, lächelte matt und ging zurück zu ihrem Wagen.
     
    Der Abendhimmel war klar, der Nebel anderswo beschäftigt.
    Kathryn Dance saß allein auf dem Deck, wenngleich Patsy und Dylan durch den Garten streiften und irgendwelche Hundedinge bestaunten. Sie hatte die Vorbereitungen für die am nächsten Abend anstehende große Geburtstagsparty ihres Vaters abgeschlossen und nippte an einem deutschen Bier, während im Radio »A Prairie Home Companion« lief, Garrison Keillors Varietéshow, die sie schon seit Jahren aufmerksam verfolgte. Nach dem Ende der Sendung schaltete sie das Radio aus. Aus Maggies Zimmer erklangen leise Tonleitern, und Wes hatte offenbar seine Stereoanlage aufgedreht.
    Hört sich an wie Coldplay, dachte Dance. Sie überlegte einen Moment, nahm dann kurzerhand ihr Mobiltelefon, suchte eine bestimmte Nummer aus dem Adressbuch heraus und wählte sie an.
    »Wen haben wir denn da?«, meldete sich Brian Gunderson.
    Seit die Kennungen der Anrufer angezeigt werden, gehen die Leute ganz anders ans Telefon, dachte sie. Er hatte volle drei Sekunden Zeit gehabt, sich einen Schlachtplan für das Gespräch zurechtzulegen, speziell zugeschnitten auf Kathryn Dance.
    »Hallo«, sagte sie. »He, tut mir leid, dass ich mich jetzt erst melde. Ich weiß, dass du ein paar Mal angerufen hast.«
    Brian lachte auf, und sie dachte an die gemeinsamen Stunden zurück, das Abendessen, den Spaziergang am Strand. Er hatte ein angenehmes Lachen. Und er küsste gut. »Ich würde sagen, falls jemand eine Entschuldigung hat, dann du. Ich hab die Nachrichten gesehen. Wer ist dieser Overby?«
    »Mein Boss.«
    »Ach, der Verrückte, von dem du mir erzählt hast?«
    »Ja.« Dance fragte sich, wie taktlos sie wohl gewesen war.
    »Er hat dich in einer der Pressekonferenzen erwähnt. Er sagte, du hättest ihm bei der Ergreifung von Pell assistiert.«
    Sie lachte. Falls TJ das gehört hatte, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie von ihm eine Nachricht für »Assistentin Dance« erhalten würde.
    »Du hast ihn also erwischt.«
    »Overby hat ihn erwischt.«
    Mit etwas Hilfe.
    »Wie ist es dir ergangen?«, fragte sie.
    »Gut. Ich bin ein paar Tage oben in San Francisco gewesen und habe Leuten Geld abgeschwatzt, die anderen Leuten Geld abgeschwatzt hatten. Und für mich ist ein Honorar herausgesprungen. Alle waren zufrieden.« Er fügte hinzu, auf der Rückfahrt habe er auf dem 101 eine Reifenpanne gehabt. Vier Amateurmusiker, ein Barbershop Quartet, die soeben von einem Auftritt kamen, hätten angehalten, und den Reifen für ihn gewechselt.
    »Haben sie dabei gesungen?«
    »Leider nicht. Aber ich werde mir einen ihrer Gigs in Burlingame anschauen.«
    War das eine Einladung?, grübelte sie.
    »Was machen die Kinder?«, fragte er.
    »Denen geht’s gut. Wie Kinder nun mal so sind.« Sie hielt inne und wusste nicht, ob sie sich mit ihm auf einen Drink oder direkt zum Abendessen verabreden sollte. Angesichts ihrer Vorgeschichte dürfte ein Abendessen eigentlich kein Problem sein.
    »Wie dem auch sei, danke für den Rückruf«, sagte Brian.
    »Gern.«
    »Aber es war nichts Wichtiges.«
    Nichts Wichtiges?
    »Weswegen ich ursprünglich angerufen habe... Eine Bekannte und ich fahren diese Woche runter nach La Jolla.«
    Eine Bekannte . Was für ein erstaunlich vielfältiges Wort das doch ist.
    »Wie schön.
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