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Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Richtung Strand, ans Ende der Lowther Arcades. Die Adresse geben Sie dem Kutscher aber erst unterwegs auf einem Zettel und weisen ihn an, den ja nicht wegzuwerfen. Halten Sie den Kutschlohn bereit, und im Moment, wo der Wagen hält, tauchen Sie in den Arkaden unter und richten sich so ein, daß Sie um Viertel nach neun auf die andere Seite wechseln. Dort wartet ein kleiner Brougham am Straßenrand, der Kutscher ist ein Bursche in einem schweren schwarzen Mantel, dessen Kragen einen roten Saum hat. In den Wagen steigen Sie ein, und bis zur Abfahrt des Continental-Expreß werden Sie auf der Victoria Station eintreffen.«
      »Wo finde ich Sie?«
      »Auf dem Bahnhof. Das zweite Coupé erster Klasse von vorn ist für uns reserviert.«
      »Wir treffen uns also im Coupé?«
      »Ja.«
      Es wäre vergebens gewesen, Holmes zum Bleiben zu bewegen. Mir war klar, daß er glaubte, er bringe dem Haus Unheil, und aus diesem Grund gehen wollte. Es folgten nun nur noch ein paar eilige Worte zu den Vorhaben des nächsten Tages, dann stand er auf und ging mir nach in den Garten. Er überstieg die Mauer, hinter der die Mortimer Street lag, pfiff einem Hansom, und gleich darauf hörte ich ihn davonfahren.
      Am nächsten Morgen handelte ich in allem, wie Holmes mich angewiesen hatte. Mit Vorsicht wurde ein Hansom ausgewählt, um zu verhindern, daß wir an einen gerieten, der für mich bereitgestellt war. Sofort nach dem Frühstück fuhr ich zur Lowther Arcade, überquerte im Geschwindschritt die Straße, und ein Brougham, auf dessen Bock ein massiger Kutscher in dunklem Mantel saß, fuhr unter Peitschenknallen in dem Augenblick ab, da ich ihn bestiegen hatte. Kaum stand ich vorm Bahnhof, wendete er den Wagen und stob davon, ohne daß der Mann auch nur einen Blick noch auf mich warf.
      Soweit war alles bewundernswert gut gegangen. Mein Gepäck erwartete mich, und ich hatte keinerlei Schwierigkeiten, das von Holmes be zeichnete Coupe zu finden, da es das einzige war, in dessen Fenster ein ›Bestellt‹-Schild hing. Meine einzige Sorge überhaupt erwuchs aus dem Umstand, daß Holmes nicht erschien. Die Bahnhofsuhr zeigte, daß es nur noch sieben Minuten bis zur Abfahrt waren. Vergebens durchforschten meine Blicke die Gruppe der Reisenden und Abschiednehmenden nach der geschmeidigen Gestalt meines Freundes. Nichts war von ihm zu sehen. Einige Minuten verbrachte ich damit, einem ehrwürdigen italienischen Priester beizustehen, der einem Dienstmann klarzumachen versuchte, sein Gepäck solle nach Paris aufgegeben werden.
      Nachdem ich noch einmal Ausschau gehalten hatte, zog ich mich in unser Abteil zurück, wo ich feststellen mußte, daß der Dienstmann mir trotz der Reservierung meinen gebrechlichen italienischen Bekannten als Reisegefährten zugeteilt hatte. Es war unsinnig, ihm klarmachen zu wollen, daß er ein Eindringling sei, denn mein Italienisch war noch schlechter als sein Englisch. So zuckte ich denn resigniert die Schultern und hielt aufs neue besorgt Ausschau nach meinem Freund. Ein Angstschauer überkam mich bei dem Gedanken, sein Ausbleiben könnte bedeuten, daß er in der Nacht einem Anschlag zum Opfer gefallen war. Die Türen waren schon geschlossen, dann ertönte der Abfahrtspfiff, als…
      Eine Stimme sagte: »Mein lieber Watson, Sie haben sich nicht einmal herabgelassen, mir einen guten Morgen zu wünschen.«
      In unbeherrschtem Erstaunen wandte ich mich um. Der betagte Geistliche hatte mir sein Gesicht zugekehrt. Augenblicklich glätteten sich die Runzeln, die Nase hob vom Kinn ab, die Unterlippe wurde zurückgezogen, der Mund hörte auf zu muffeln, Feuer trat in die trüben Augen, die kraftlose Gestalt wuchs auf. Im nächsten Moment sackte die Erscheinung wieder zusammen, und Holmes verschwand so schnell, wie er gekommen war.
      »Lieber Gott!« rief ich. »Haben Sie mich erschreckt!«
      »Die Vorsichtsmaßnahmen sind weiterhin nötig«, flüsterte er. »Ich habe Grund anzunehmen, daß sie noch eifrig auf unserer Spur sind. Ah, da ist ja Moriarty selbst.«
      Während Holmes sprach, hatte der Zug sich in Bewegung gesetzt. Zurückblickend sah ich, wie ein großer Mann sich wild durch die Menge drängte und mit den Händen fuchtelte, als wollte er den Zug aufhalten. Es war zu spät, denn wir gewannen schnell an Geschwindigkeit, und einen Augenblick später lag der Bahnhof hinter uns.
      »Mit all den Vorsichtsmaßnahmen haben wir es sehr gut hinbekommen«, sagte Holmes lachend. Er stand
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