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Die Meistersinger von Nürnberg

Die Meistersinger von Nürnberg

Titel: Die Meistersinger von Nürnberg
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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Gedicht in seiner Tasche vergessen zu haben, läuft wieder vor, sucht ängstlich auf dem Werktische, bis er es in der eigenen Hand gewahr wird; darüber scherzhaft erfreut, umarmt er Sachs nochmals voll feurigen Dankes und stürzt dann, hinkend und strauchelnd, geräuschvoll durch die Ladentür ab.)
    Sachs (sieht Beckmesser gedankenvoll lächelnd nach) :
So ganz boshaft doch keinen ich fand;
er hält's auf die Länge nicht aus:
vergeudet mancher oft viel Verstand,
doch hält er auch damit Haus;
die schwache Stunde kommt für jeden,
da wird er dumm und läßt mit sich reden.
Daß hier Herr Beckmesser ward zum Dieb,
ist mir für meinen Plan sehr lieb.
(Eva nähert sich auf der Straße der Ladentür. Sachs wendet sich um und gewahrt Eva.)
Sieh, Evchen! Dacht' ich doch, wo sie blieb'!

Vierte Szene
    (Eva, reich geschmückt, in glänzender weißer Kleidung, etwas leidend und blaß, tritt zum Laden herein und schreitet langsam vor.)
    Sachs: Grüß Gott, mein Evchen! Ei, wie herrlich
und stolz du's heute meinst!
Du machst wohl alt und jung begehrlich,
wenn du so schön erscheinst.
    Eva: Meister! ‘s ist nicht so gefährlich:
und ist's dem Schneider geglückt,
wer sieht dann, wo's mir beschwerlich,
wo still der Schuh mich drückt?
    Sachs: Der böse Schuh! ‘s war deine Laun',
daß du ihn gestern nicht probiert.
    Eva: Merk' wohl, ich hatt' zu viel Vertrau'n;
im Meister hatt' ich mich geirrt.
    Sachs: Ei, ‘s tut mir leid! Zeig' her, mein Kind,
daß ich dir helfe gleich geschwind.
    Eva: Sobald ich stehe, will es geh'n;
och will ich geh'n, zwingt's mich zu steh'n.
    Sachs: Hier auf den Schemel streck den Fuß:
der üblen Not ich wehren muß.
(Sie streckt einen Fuß auf dem Schemel am Werktisch aus.)
Was ist's mit dem?
    Eva: Ihr seht, zu weit!
    Sachs: Kind, das ist pure Eitelkeit,
der Schuh ist knapp.
    Eva: Das sagt' ich ja:
drum drückt er mich an den Zehen da.
    Sachs: Hier links?
    Eva: Nein, rechts.
    Sachs: Wohl mehr am Spann?
    Eva: Hier, mehr am Hacken.
    Sachs: Kommt der auch dran?
    Eva: Ach Meister! Wüßtet Ihr besser als ich,
wo der Schuh mich drückt?
    Sachs: Ei, ‘s wundert mich,
daß er zu weit und doch drückt überall?
    (Walther, in glänzender Rittertracht, tritt unter die Tür der Kammer. Eva stößt einen Schrei aus und bleibt, unverwandt auf Walther blickend, in ihrer Stellung, mit dem Fuße auf dem Schemel. Sachs, der vor ihr niedergebückt steht, bleibt mit dem Rücken der Tür zugekehrt, ohne Walthers Eintritt zu beachten. Walther, durch den Anblick Evas festgebannt, bleibt ebenfalls unbeweglich unter der Tür stehen.)
    Aha! Hier sitzt's! Nun begreif' ich den Fall!
Kind, du hast recht:
‘s stak in der Naht.
Nun warte, dem Übel schaff' ich Rat.
Bleib nur so steh'n; ich nehm' dir den Schuh
eine Weil' auf den Leisten:
dann läßt er dir Ruh'!
    (Er hat ihr sanft den Schuh vom Fuße gezogen; während sie in ihrer Stellung verbleibt, macht er sich am Werktisch mit dem Schuh zu schaffen und tut, als beachte er nichts anderes.)
    Sachs (bei der Arbeit) :
Immer schustern, das ist nun mein Los;
des Nachts, des Tags komm' nicht davon los!
Kind, hör' zu! Ich hab mir's überdacht,
was meinem Schustern ein Ende macht:
am besten, ich werbe doch noch um dich;
da gewänn' ich doch was als Poet für mich!
Du hörst nicht drauf? – So sprich doch jetzt!
Hast mir's ja selbst in den Kopf gesetzt.
Schon gut! – Ich merk':
»Mach deinen Schuh!«..
Säng' mir nur wenigstens einer dazu!
Hörte heut' gar ein schönes Lied:
wem dazu wohl ein dritter Vers geriet?
    Walther (den Blick unverwandt auf Eva geheftet) :
»Weilten die Sterne im lieblichen Tanz?
So licht und klar im Lockenhaar,
vor allen Frauen hehr zu schauen,
lag ihr mit zartem Glanz ein Sternenkranz. –
    Sachs (immerfort arbeitend) :
Lausch, Kind, das ist ein Meisterlied!
    Walther: Wunder ob Wunder nun bieten sich dar:
zwiefachen Tag ich grüßen mag;
denn gleich zwei'n Sonnen reinster Wonnen
der hehrsten Augen Paar nahm ich da wahr. –
    Sachs (beiseite zu Eva) :
Derlei hörst du jetzt bei mir singen.
    Walther: Huldreichstes Bild,
dem ich zu nahen mich erkühnt:
den Kranz, von zweier Sonnen Strahl
zugleich geblichen und ergrünt,
minnig und mild,
sie flocht ihn um das Haupt dem Gemahl.
    Sachs (hat den Schuh zurückgebracht und ist jetzt darüber, ihn Eva wieder anzuziehen) :
Nun schau, ob dazu mein Schuh geriet?
    Walther: Dort Huld-geboren, nun Ruhm-erkoren,
    Sachs: Mein' endlich doch, es tät' mir gelingen?
    Walther: gießt paradiesische Lust sie in des Dichters
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