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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau
Autoren: Emily Carmichael
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aus, doch Olivia entwand sich Rodgers Zugriff. Der Hieb landete an Rodges Schulter statt in ihrem Gesicht. Beide Männer fluchten.
    »Olivia, geh in die Hütte zurück und bleib dort.« Gabriels Stimme war heiser, als schnüre ihm der Strick bereits die Kehle zu. Sein Gesicht war blutverschmiert, ein Auge zugeschwollen, doch sein Blick zu ihr war beständig und ruhig. »Geh in die Hütte! Candliss, sie macht dir keine Schwierigkeiten.«
    Candliss grinste höhnisch zu Gabriel hinauf. »Vielleicht sorge ich dafür, daß sie deine Zärtlichkeiten nicht zu sehr vermißt, wenn du gegangen bist, O’Connell. Dann …« Er kicherte. »Die perfekte Lösung. Du bist ja schließlich als Frauenmörder bekannt. Gibt es denn eine bessere Rechtfertigung für mich, dich auf der Stelle aufzuhängen als die Tatsache, daß du einen zweiten Frauenmord begangen hast? Montana ist jetzt ein Staat. Solche Verbrechen können wir hier unter keinen Umständen dulden, jetzt da wir ein rechtmäßiges Mitglied des Staatenbundes sind.«
    Candliss fuhr mit seinen Verhöhnungen fort, malte ihm Olivias Schicksal aus, seine Stimme schwoll im Jubel und Triumph kreischend an. Zwischen Candliss’ Männern und der Hütte stehend, warf Olivia einen verstohlenen Blick zu ihrer Schrotflinte hinüber. Die Waffen, die dazu geworfen worden waren, waren alle von den Männern wieder geholt worden, während sie sich auf den Zweikampf konzentriert hatte. Ihre Schrotflinte lag als einzige da, verlockend nah. Sie schnellte vor und richtete sie blitzschnell auf den nächststehenden Feind.
    »Keinen Schritt näher, oder ich schieße.«
    Der Mann glotzte sie an. Sie spannte den Hahn.
    »Aber Miß Baron«, rief Candliss. Er senkte lächelnd seine Waffe. »Lassen Sie die Flinte fallen.«
    »Nicht bevor ich ein paar von euch Lumpen umgelegt habe. Meldet sich einer freiwillig?!«
    Candliss lächelte immer noch, doch seine Männer beäugten unsicher die Schrotflinte, die ruhig auf sie gerichtet war.
    »Euer Boß läßt euch kaltblütig abknallen«, belehrte Olivia die Kerle, die Unsicherheit nutzend, die sie in den Gesichtern wahrgenommen hatte. »Wollt ihr für seine Rache sterben?«
    Trotz der Kälte schwitzten ihre Hände, der Gewehrlauf war glitschig geworden. Sie flehte zum Himmel, die Kaltblütigkeit zu besitzen, im richtigen Augenblick abzudrücken.
    Sie redete weiter. »Sie sind verrückt, Candliss, einen Mann zu lynchen und eine unschuldige Frau zu ermorden. Diese Männer werden das Verbrechen nicht ungesühnt lassen, zumal ein paar von ihnen dabei erschossen werden. Nehmen Sie Gabriel die Schlinge ab und bringen sie ihn nach Elkhorn vor Gericht. Dort wird es einen Prozeß geben, er wird bestraft und niemand wird sterben.«
    Die Männer äugten unsicher zu Candliss hinüber.
    »Wollt ihr auf das Geschwätz einer Frau hören?« Candliss hob seine Flinte und zielte auf sie. Die Haut über Olivias linker Brust kribbelte in Erwartung des Einschlags der Kugel. Ihre Sinne nahmen alles überhöht wahr. Das würzige Aroma der Fichten und Tannen, die feuchte Kälte des Windes im Gesicht. Gabriels Blick brannte wie Feuer, und Candliss’ Blick war eiskalt. Die Schrotflinte lag schwer und glitschig in ihren Händen. Das Blut rauschte durch ihre Adern, ihr Atem fuhr wie ein Sturm durch ihre Lungen. Sie war unheimlich furchtlos, als sie die Flinte herumriß und auf Candliss hielt. »Mein Finger ist am Abzug, Mr. Candliss. Wenn Sie mich erschießen, sind Sie ein toter Mann.«
    Candliss Flinte bewegte sich nicht.
    »Um Gottes Willen, Mann. Geben Sie die Frau frei. Schicken Sie sie nach Elkhorn. Sie hat nichts mit der Sache zu tun.«
    Candliss schien Gefallen an Gabriels Flehen zu haben. Lächelnd öffnete er den Mund zu einer Antwort, als ein Schuß knallte. Sein Lächeln verzerrte sich zur Grimasse, er ließ die Flinte fallen und sank zu Boden, die Finger um sein Bein gekrallt.
    Olivia rannte zu Gabriel und schleuderte das über einem Ast hängende Seil frei.
    »Pa!« rief Katy und ritt auf die Lichtung. Hinter ihr tauchte Krummer Stab und eine Gruppe Schwarzfußindianer auf, die Olivia nicht zählte. Sie waren so zahlreich wie die Bäume, die Gesichter und schwarzen Augen grimmig und eiskalt wie der Tod.
    Rodgers fluchte. Seine Kameraden schauten in die schwarzen Gewehrläufe der Indianer und rührten sich nicht.
    »Pa! Bist du in Ordnung?«
    Gabriel glitt vom Pferd und fiel in Olivias Arme.
    »Krummer Stab kam mir den Weg herauf entgegen. Er hörte, daß du aus dem
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