Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe

Titel: Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
Autoren: Paul Melko
Vom Netzwerk:
stattdessen schweigend sein Essen.

    Es dauerte eine Weile, bis sich John wieder ein Herz fasste. »Okay. Nehmen wir mal für den Moment an, du bist wirklich ich und kommst wirklich aus einem anderen Universum. Wie bist du dann hierhergekommen? Und warum ausgerechnet du?«
    »Erstens: mit dem Gerät, und zweitens: keine Ahnung«, antwortete der Fremde mit vollem Mund.
    »Geht’s auch ein bisschen ausführlicher?«
    »Ich hab eben dieses Gerät bekommen, mit dem man von einem Universum ins nächste wechseln kann. Ich trage es direkt unterm Hemd. Und ich weiß nicht, warum ausgerechnet ich – das heißt, warum ausgerechnet wir.«
    »Hör auf, um meine Fragen herumzutänzeln!« Der Typ machte ihn wahnsinnig! Er wollte einfach keine klaren Antworten geben. »Wer hat dir das Gerät gegeben?«
    »Ich selbst!« Der Fremde grinste.
    John schüttelte den Kopf und versuchte, es zu begreifen. »Du behauptest also, dass einer von uns, ein weiterer John aus einem weiteren Universum, dir dieses Gerät gegeben hat?«
    »Genau, ein anderer John. Sah nett aus.«
    Wieder dieses Grinsen. John schwieg eine Weile und sah zu, wie der Fremde das Essen hinunterschlang. Nach einer Weile stand John auf. »Ich muss die Schafe füttern.« Er schüttete Getreide in den Trog, und zu seiner Überraschung packte der Fremde mit an. John bedankte sich. Danach fütterten sie die Kühe und das Pferd.
    »Wenn du also ich bist«, sagte John schließlich, »wie nenne ich dich dann? Wären wir Zwillinge, hätten wir wenigstens unterschiedliche Namen. Aber wir sind ja genau dieselbe Person, noch viel ähnlicher als Zwillinge.« Zwillinge hatten identisches Genmaterial, doch vom Moment ihrer Zeugung an waren sie einer leicht unterschiedlichen Umwelt ausgesetzt, die verschiedene Gene aktivieren oder deaktivieren
konnte. John musste annehmen, dass er und dieser andere John nicht nur identisches Genmaterial besaßen, sondern bis zu einem gewissen Grad auch in der gleichen Umgebung aufgewachsen waren.
    Der Fremde nickte. »Ich heiße John, genau wie du. Wir sind dieselbe Person – aber vielleicht gefällt es dir nicht, mich als John Rayburn zu betrachten. Für mich bist du John Farmer, der Junge von der Farm. Nur darfst du nicht vergessen, dass es unendlich viele von uns gibt. Es wird gar nicht so leicht sein, den Überblick über die ganzen John Rayburns zu behalten, wenn wir uns alle mal treffen.« Er lachte und dachte einen Moment lang nach. »Wie wär’s, wenn du mich als Ersten in einer langen Reihe von Johns vorläufig John Prime nennst? Wir benennen uns dann einfach nach unseren stromaufwärts oder stromabwärts gelegenen Universen.«
    »Und wer hat dir das Gerät gegeben?«
    »John Superprime«, sagte Prime lächelnd. »Glaubst du mir endlich?«
    Doch John war immer noch misstrauisch. Das Ganze wirkte auf bizarre Weise plausibel, aber das galt auch für die Science-Fiction-Geschichten, die er gelesen hatte. Irgendwann konnte man alles glauben, irgendwann hörte sich alles stimmig an. »Vielleicht.«
    »Also gut. Hier ist der letzte Beweis. Versuch gar nicht erst, das zu leugnen.« Der Fremde krempelte ein Hosenbein hoch und legte eine lange, weißliche Narbe frei, auf der kein einziges Haar wuchs. »Schauen wir uns doch mal deine an.«
    John betrachtete die Narbe genau und schob dann seine Jeans bis zum Knie hoch. Durch die kalte Luft in der Scheune bildete sich auf der ganzen Wade Gänsehaut – außer auf der runzeligen Haut seiner eigenen, identischen Narbe.
    Mit zwölf Jahren war John gemeinsam mit Bobby Walder über Mrs. Jones’ Stacheldrahtzaun geklettert, um in ihrem
Teich schwimmen zu gehen. Mrs. Jones hatte die Hunde auf sie gehetzt, so dass sie splitterfasernackt quer übers Feld laufen und den Stacheldrahtzaun im Sprung nehmen mussten. John hatte es nicht ganz geschafft. Bobby war davongerannt, während John allein nach Hause hatte hinken müssen. Der Riss an seinem Bein war mit drei Dutzend Stichen genäht worden, außerdem hatte man ihm eine Tetanusimpfung verpasst.
    »Glaubst du mir jetzt?«, fragte Prime.
    John starrte auf die Narbe. »Ja. Hat höllisch wehgetan, was?«
    »Stimmt.« Prime grinste. »Und wie, Bruder.«

2
    Ohne die Blicke seiner Klassenkameraden zu beachten, saß John im »Aquarium«, dem verglasten Vorzimmer des Rektorats, und fragte sich, was zum Teufel John Prime vorhaben mochte. Den Zwilling hatte er auf dem Scheunenboden zurückgelassen, mit seinem halben Mittagessen und der strengen Ermahnung, sich versteckt zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher