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Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe

Titel: Die Mauern des Universums - Melko, P: Mauern des Universums - The Walls of the Universe
Autoren: Paul Melko
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gehen, dann erklär ich dir alles.«
    In der Stimme des Fremden schwang Verzweiflung mit. Offenbar wollte er etwas von ihm, und zwar dringend. Irgendeinen Trick, irgendeine Falle musste es dabei geben – John wusste nur noch nicht, was es sein konnte. Und das bereitete ihm Sorgen. Er verschränkte die Arme. »Das werden wir nicht tun.«

    »Gut, dann geh ich eben. Und du wirst nie die Wahrheit erfahren.«
    Fast hätte John ihn ziehen lassen. Er blickte sich kurz um, konnte jedoch keinen Komplizen des Fremden entdecken. Niemand versteckte sich im Wald und lachte sich kaputt. Wenn das hier ein Witz sein sollte, kapierte er die Pointe nicht. Und falls es ein Schwindelmanöver war, verstand er nicht, warum man es ausgerechnet auf ihn abgesehen hatte. Was sollte das nur, wo war der Sinn? Andererseits: Was konnte es schon schaden, sich anzuhören, was der Fremde zu sagen hatte? Einen Augenblick lang überlegte John. »Okay, gehen wir in die Scheune.«
    »Wunderbar!« Der Fremde lächelte aufrichtig.
    John machte sich auf den Weg zurück zur Scheune, der Fremde ging neben ihm her. Obwohl er beim Durchqueren des Kürbisfelds etwas Abstand hielt, bemerkte John, dass ihre Schritte exakt übereinstimmten. Noch dazu war der Fremde genauso groß wie er.
    Als John die Hintertür der Scheune öffnete, trat der Fremde zuerst ein, drückte ganz selbstverständlich auf den Lichtschalter neben der Tür und rieb sich wohlig die Hände. »Endlich ein bisschen wärmer.«
    Er drehte sich zu John um.
    Das Licht fiel dem Fremden direkt ins Gesicht. John erschrak. Erst jetzt sah er, wie sehr der andere ihm glich. Im Dunkeln hatte er noch denken können, dass sie sich zwar stark ähnelten, aber nicht exakt gleich aussahen. Falsch gedacht. Allerdings hatte der Fremde eine andere Frisur, er trug das rotblonde Haar länger. Und seine Klamotten wirkten merkwürdig. John hatte ganz bestimmt nie so einen Mantel getragen. Außerdem war der Fremde ziemlich dünn. Von seiner Schulter hing ein blauer Rucksack, der so vollgestopft war, dass der Reißverschluss nicht mehr zuging. Oberhalb seines linken Auges entdeckte John eine Schnittwunde
– die Braue war mit bräunlichem Blut verkrustet, das anscheinend erst vor kurzem geronnen war. Doch all das waren oberflächliche Unterschiede. John konnte es nicht leugnen: Der Fremde glich ihm bis ins kleinste Detail. Er hätte als sein Zwilling durchgehen können.
    Das Herz schlug ihm bis zum Hals. »Wer bist du?«
    »Wie wär’s erst mal mit was zu essen?«
    Widerwillig ging John zur Pferdebox und holte einen Apfel aus einer Tasche. Er warf ihn dem Fremden zu, der ihn auffing und strahlend lächelte.
    Auf irgendwelche Spielchen hatte John keine Lust; er musste den Fremden zum Reden bringen. »Sag mir, was los ist, dann hol ich dir vielleicht was vom Abendessen aus dem Haus.«
    »Hast du diese Gastfreundschaft von Dad gelernt? Wäre er im Wald auf mich gestoßen, hätte er mich bestimmt sofort zum Abendessen ins Haus eingeladen.«
    »Red schon!«
    »Na gut.« Der Fremde warf sich auf einen Heuballen und kaute geräuschvoll. »Eigentlich ist es ganz einfach. Ich bin du. Das heißt, genetisch gesehen bin ich du, und ich bin auch auf derselben Farm aufgewachsen wie du – aber in einem anderen Universum. Und jetzt bin ich bei mir selbst zu Besuch.«
    »Schwachsinn! Was willst du hier? Hat dich irgendwer geschickt?«
    »Nur die Ruhe. Ich hab mir ja auch nicht geglaubt.« Der Fremde runzelte kurz die Stirn. »Aber ich kann es beweisen. Moment …« Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Also gut. Das Pferd da drüben heißt Stan oder Dan. Als du zehn warst, hast du ihn den McGregors von der Butte Road abgekauft. Stan oder Dan ist ziemlich stur und launisch. Er mag es gar nicht, wenn man ihn sattelt. Aber wenn er weiß, dass du einen Apfel in der Tasche hast, galoppiert
er wie ein Turnierpferd.« Der Fremde wandte sich den Ställen auf der linken Seite zu. »Das Schwein da heißt Rosy. Und die Kuh da hinten Wilma. Die Hühner nennst du Lady A bis F.« Er lächelte arrogant. »Wie mach ich mich bisher? Warte, ich hab noch mehr auf Lager: Als du zwölf warst, hast du deinem Onkel ein paar Zigaretten geklaut und alle auf einmal geraucht. Und mit acht Jahren hast du mit deiner Luftpistole einen fetten Ochsenfrosch getötet, doch davon ist dir so schlecht geworden, dass du kotzen musstest und seitdem nie wieder eine Waffe in die Hand genommen hast. Deinen ersten Kuss hattest du mit vierzehn, da hat dich Amy
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