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Die Maske des Meisters

Die Maske des Meisters

Titel: Die Maske des Meisters
Autoren: Henke Sandra
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ihrem Schokoriegel abbeißen wollte, hielt in der Bewegung inne, und weitete erstaunt die Augen. Sie fühlte sich, als hätte dieser Fremde direkt in ihr Herz gesehen. Sie legte den Riegel weg und tippte eilig eine Antwort.
    NYMPHAE: Woher willst du das wissen?
    VALI: Ich beobachte dich schon seit geraumer Zeit. Am Anfang hast du dich rege an den Gesprächen beteiligt und warst euphorisch. Später bist du immer ruhiger geworden, bis du dich ganz zurückgezogen und nur noch mitgelesen hast .
    Er hatte sie beobachtet, seit Längerem. Claire ertappte sich dabei, wie sie über die Schulter sah, so als würde dieser Mann vor ihrem Fenster stehen, was natürlich Unsinn war. Sie versuchte sich damit zu beruhigen, dass ihre Begegnung nur in einem virtuellen Raum stattfand und sie sich zurückziehen konnte, wann immer sie wollte. Der Fremde bedeutete keine Gefahr für sie.
    VALI: Hab ich dich erschreckt? Das täte mir leid. Du bist mir einfach aufgefallen, weil du keine Tippfehler machst und Groß- und Kleinschreibung beachtest. Die meisten Chatter sind einfach Schreibbanausen .
    Claire lachte schallend, sie lachte über ihre eigene Dummheit, weil sie sich von diesem Mann verfolgt gefühlt hatte, dabei hatte sie seine Aufmerksamkeit durch eine Banalität erlangt.
    Herzhaft biss sie erneut in den Schokoriegel. Der Geschmack von Erdnüssen, Schokolade und Cornflakes breitete sich in ihrem Mund aus, viele köstliche Kalorien, die sie glücklich machten, zumindest für kurze Zeit, bis zum nächsten Bissen. Seit der Trennung von Morris war sie süchtig nach Süßigkeiten, eine Sucht, die ihr bisher zwei Kilo mehr auf der Waage eingebracht hatte.
    VALI: Du bietest dich auch nicht so freizügig an wie die anderen Frauen, die meinen, sie könnten die Liebe ihres Lebens finden, wenn sie ihre Paarungsbereitschaft signalisieren .
    NYMPHAE: Willst du damit andeuten, ich mache einen prüden Eindruck?
    VALI: Nur zurückhaltend, aber stille Wasser sind bekanntlich tief .
    Und er? Was war mit ihm? Claire kitzelte es in den Fingerspitzen. Sie warnte sich davor, sich zu früh Hoffnungen zu machen. Aber nun hatte sie so lange auf einen netten Chatkontakt gewartet, jetzt konnte sie ihm wenigstens eine Chance geben.
    Sie schluckte den Rest Schokoriegel in ihrem Mund herunter, spülte mit Rootbeer nach und rief Valis Profil auf, um mehr über ihn zu erfahren.
    Halleluja, endlich ein interessanter Mann!

3. KAPITEL
    Laut las Claire: „Das Leben ist kurz, und seine Zeit zu verlieren ist eine Sünde. Albert Camus.“ Ein wenig enttäuscht stellte sie nun fest, dass keine persönlichen Angaben über Vali in seinem Profil zu finden waren.
    Sie kam sich ungebildet vor, als sie den Namen Camus googeln musste, doch was ihre Schul- und Ausbildung betraf, war sie schon immer ziellos gewesen. Sie hatte nicht einmal die Highschool beendet, sondern war bereits ein Jahr früher als Junior abgegangen, weil sie keine Lust mehr gehabt hatte. In Momenten wie diesen bereute sie es. Ihr Dad hatte ihr damals einen Job in der Lane Public Library in Fairfield besorgt.
    „Camus war ein französischer Philosoph und Schriftsteller.“ Sein Spruch sprach sie an, ermunterte sie, ihre sexuelle Neugier zu verfolgen, weil sie es ansonsten später bereuen könnte. Doch nun wollte sie etwas über Vali erfahren. War er ein Abenteurer? Jemand, der das Leben auskostete oder leichtfertig damit umging?
    NYMPHAE: Was bedeutet dein Nickname?
    VALI: Was bedeutet deiner?
    NYMPHAE: Ich habe zuerst gefragt .
    VALI: Aber ich verlange zuerst eine Antwort .
    NYMPHAE: Das ist unverschämt .
    VALI: Du magst Herausforderungen, magst keine Kerle, die sich dir zu Füßen werfen, sich anbiedern, sondern suchst nach jemand Besonderem, wie ich bereits schrieb. Und genau aus diesem Grund wirst du meine Frage jetzt beantworten .
    Claire zögerte. Gedankenversunken biss sie auf dem Nagel ihres kleinen Fingers herum. Ihr gefiel seine fordernde Art, doch gleichzeitig regte sich Trotz in ihr. Sie wollte nicht, dass er sie für eine Landpomeranze hielt, mit der er machen konnte, was er wollte. Gleichzeitig sehnte sie sich danach, sich einem Mann zu unterwerfen. Beides konnte sie nicht in Einklang bringen. Sie sah ihren Wunsch nach sexuellem Neuland dahinschmelzen.
    VALI: Du haderst, weil du mich nicht einschätzen kannst, das verstehe ich. Nicknames sind wie Masken, du weißt nicht, wer sich dahinter verbirgt. Erlöser oder Teufel? Aber vielleicht bin ich genau derjenige, den du gesucht hast. Ich habe
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