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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin
Autoren: Martina Kempff
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Tages in bessere Kreise – wie die, aus denen sie stammte – aufsteigen und sie aus dem bäuerlichen Leben befreien würde. Sie hatte ihm Lesen, Schreiben und gute Manieren beigebracht und ihren Bruder Johannes Gerter, der Kontakte zur feinen Gesellschaft hatte, immer wieder gedrängt, ihren Sohn in diese Kreise einzuführen. Georg war nicht zum Bauern geschaffen, fand sie, und sie sah es ihm nach, wenn er seine Zeit lieber beim Kartenspiel verbrachte. Herren durften ihre Zeit vertreiben, und Georg sollte ein Herr werden.
    »Else, geh schnell, such den Georg, er soll sich verstecken!« rief sie der Magd zu, die am Küchentisch Zwiebeln aussortierte.
    Der Hund schlug an, das Trappeln der Hufe kam näher und übertönte das dumpfe Muhen aus dem Stall.
    Franziska Mössner stürzte vor die Tür und obwohl sie seit Wochen mit den Soldaten gerechnet hatte, nahm ihr der Anblick der Uniformen beinahe den Atem. Die beiden Soldaten sprangen von den Pferden und führten sie zur Tränke.
    »Wir sind auch durstig, gute Frau«, rief einer Franziska zu. »Schenk uns Bier oder Wein ein!«
    Als wären sie alte Bekannte auf der Durchreise, ließen sie sich in der Küche nieder und legten die Füße zwischen die Zwiebeln auf den Küchentisch.
    Franziska Mössner schenkte ihnen Wein ein, und als sie sich gerade Hoffnung machte, daß die Soldaten wirklich nur auf der Durchreise wären, zog einer ein Papier aus der Tasche.
    »Georg Mössner«, las er vor. »Her mit dem Jungen! Der König braucht ihn, das ist eine große Ehre für euer Haus.«
    Auf die ich gerne verzichten könnte, dachte Franziska und log schnell: »Der Georg ist nicht hier. Er ist schon vor Wochen ins Badische gefahren, um neues Vieh zu holen.«
    »Ins Badische also?« Der ältere der beiden Soldaten kniff ein Auge zu und lachte höhnisch: »Dann wird es dich freuen, daß er wieder heil zurückgekommen ist. Weniger freuen wird dich, daß ihm der Wirt vom ›Wilden Eber‹ gestern ein ordentliches Sümmchen beim Spiel abgenommen hat.«
    Franziska Mössner schloß die Augen. War der dumme Junge also doch wieder ins Dorf gegangen! Warum hatte er nicht auf sie gehört und sich so wenig wie möglich blicken lassen? Er wußte doch, was auf dem Spiel stand!
    »Vielleicht hat er sich deswegen hier noch nicht gezeigt«, gab sie zurück. »Ich habe keine Ahnung, wo er jetzt steckt.«
    Der ältere Soldat stand auf und lächelte freundlich. Einen Augenblick lang glaubte Franziska, er würde unverrichteter Dinge wieder abziehen. Er hatte doch seine Pflicht getan, was konnte es ihn scheren, ob er einen Rekruten mehr oder weniger einfing.
    Der Soldat lächelte auch noch, als er nach dem Weinkrug griff, ihn auf dem Steinboden zerschmetterte und dann die Zwiebeln vom Tisch fegte. Er spuckte in den Rührteig und zog mit aufreizender Langsamkeit eine Peitsche aus dem Gürtel.
    »Das werden wir schon herausfinden. Dafür sind wir schließlich hier. Komm, Karl.«
    Die Magd hatte sich keine große Mühe gegeben, Georg zu finden. Ihr eigener Mann war bereits zwei Wochen zuvor zu den Soldaten gepreßt worden und sie sah nicht ein, wieso sie dem Sohn ihrer Herrin dieses Schicksal ersparen sollte. Um ihr Gewissen gegenüber der Bäuerin zu beruhigen, hatte sie sich ein Gottesurteil ausgedacht. Wenn Georg fleißig auf dem Feld oder im Stall arbeitete, würde sie ihn warnen, wenn er – wie üblich um diese Zeit – im Heuschober ein Nickerchen hielt, würde sie ihn dabei nicht stören.
    Die beiden Soldaten rissen Georg aus dem Halbschlaf.
    »Da ist ja unser Rekrut!« hörte er. Verschlafen setzte er sich auf. »Los, Bürschchen, wir sind von der schnellen Truppe«, bellte der ältere Soldat und schlug ihm mit der Peitsche über die nackten Füße. »Der König ruft! Sofort mitkommen!«
    Georg wurde von kräftigen Armen gepackt und aus dem Stroh gezogen.
    »Laßt mich los!« rief er wütend. Er trat einen der Soldaten vors Schienbein und handelte sich damit eine so kräftige Ohrfeige ein, daß er im ersten Moment dachte, der Kopf würde ihm vom Rumpf fliegen. So benommen war er, daß er sich nicht wehren konnte, als ihn der jüngere Soldat festhielt und der ältere ihn mit Fäusten bearbeitete.
    »Aufhören, aufhören!« schrie seine Mutter, die inzwischen aus der Küche herbeigeeilt war. Mössner hing wie ein nasser Lappen in den Armen des älteren Soldaten, der ihn zu Boden fallen ließ und ihm ein dickes Tau um Hände und Füße band. Wie ein schlachtreifes Tier schleifte er Georg auf den
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