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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin
Autoren: Martina Kempff
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mußt du. Und zwar bald. Ein Vater hätte dich schon längst weggegeben. Entscheide dich, aber schnell.«
    Matthäus hatte ihr immer wieder versichert, er sei der geduldigste Mensch der Welt und irgendwann würde sie seinem Werben schon nachgeben. Juliane mochte ihn, weil er liebenswürdig, höflich und auf eine seltsame Art witzig war. Matthäus war ein angenehmer Zeitvertreib, der sie zum Lachen brachte, wenn er in irgendwelchen wohlklingenden Fremdsprachen, von denen er mehrere beherrschte, ihre Kundschaft auf dem Markt verwirrte.
    Während alle anderen Soldaten sie und ihre Mutter ›Assenheimerin‹ nannten, rief Matthäus nur ihre Mutter bei diesem Namen. Für Juliane hatte er alle möglichen anderen Bezeichnungen und sie war bei jeder Begegnung gespannt darauf, was für einen Namen er sich diesmal für sie hatte einfallen lassen. So einen wie Matthäus hätte sie gern zum Bruder gehabt, sie fühlte sich ihm nahe und vertraut, aber den Gedanken, ihn zu heiraten, wies sie weit von sich. Dafür fehlte etwas, das sie nicht genau benennen konnte, von dem sie aber vermutete, daß es die viel besungene Liebe war. Diese sollte mit Herzflattern und weichen Knien einhergehen, aber wenn sie Matthäus sah, wurde ihr nur ein wenig warm ums Herz, und das war ihr nicht genug. Da mußte mehr sein! Daß Liebe mit der Ehe kommen würde, predigte ihre Mutter beinahe täglich, aber woher sollte das eine Frau wissen, die nie geheiratet und trotzdem ein glückliches und erfülltes Leben geführt hatte? Juliane dachte überhaupt nicht gern übers Heiraten nach. Das war etwas für Frauen, die versorgt werden mußten; sie aber verdiente ihr eigenes Geld, brauchte dafür keinen Mann. Sie fühlte sich noch zu jung, um selbst Mutter sein zu können, und überhaupt war die Ehe so eine ernste Angelegenheit. Als verheiratete Frau wäre es zum Beispiel unschicklich, mit Matthäus herumzualbern, es sei denn, er wäre ihr Mann. Aber wenn ich Lust auf eine Maultasche habe, dachte sie, dann heißt das doch noch lange nicht, daß ich nichts anderes mehr essen will.
    Wo blieb er nur? Er würde doch nicht ausgerechnet heute Dienst haben? Juliane strich ihrer alten Stute über die Mähne, kletterte auf den kleinen Wagen und hielt Ausschau nach der vertrauten Uniform. Aber in dem Gewoge zwischen den Ständen und Pferdewagen war unter all den Hüten, Mützen und Hauben kaum ein einzelnes Gesicht auszumachen. Die Menschen sehen doch anders aus, wenn die Sonne scheint, dachte sie, irgendwie freier und das Geld sitzt lockerer. Sie ärgerte sich, daß sie ihren alten Platz nicht gekriegt hatte und jetzt eingeklemmt zwischen Gemüse und Gänsen und Weinfässern stehen mußte.
    Sie stieg vom Wagen und bückte sich, um die Schlösser der kleinen Hühnerkäfige zu kontrollieren. Ihre Mutter hatte wieder viel zu viele Tiere zusammengepackt. Die Vögel hackten aufeinander ein, rieben sich an den kot- und blutverkrusteten Stangen, an denen Federn und Flaum klebten, und gackerten, als würde ihnen jetzt schon der Hals umgedreht. Warum tun sich die Viecher das nur an, dachte sie. Sind eben zu blöd, um sich ruhig zu verhalten. Sie mußte zusehen, daß sie die Hühner schnell los wurde, bevor sich die Ware selbst zu sehr beschädigte.
    »Deine Kartoffeln letzte Woche waren stiller. Hatten keine Schnäbel, bloß Augen«, hörte sie hinter sich.
    Sie wirbelte herum und stürzte sich auf einen zehnjährigen blonden Bauernjungen, dessen Hände sich an dem Schloß eines Käfigs zu schaffen machten.
    »Wirst du wohl loslassen!«
    Er grinste von einem Ohr zum andern. »Erst wenn du den Rock ausziehst. Schau doch: hast ja Blut drauf! Ja, von Kartoffeln kriegst du nur schmutzige Fingernägel!«
    Die Käfigtür war schon einen Spaltbreit offen. Die Hühner drängten zur Öffnung hin.
    Juliane bedachte sich nicht lange. Während sie mit der Linken ausholte und dem Jungen eine Ohrfeige verpaßte, schloß sie mit der Rechten geübt den Käfig.
    Der Junge taumelte zurück und fiel in die Arme des Leutnants, der Juliane schon seit einiger Zeit beobachtet hatte, fasziniert von den Bewegungen der jungen Frau, von der Lebensfreude, die sie ausstrahlte.
    »Gut gemacht«, erklärte der Leutnant und verbeugte sich. »Soll ich diesen jungen Mann standrechtlich erschießen lassen?«
    »Vielleicht das nächste Mal«, gab Juliane zurück.
    Ihr gefiel die Gelassenheit, mit der er sich vor ihr verbeugte. Ihr gefiel überhaupt der ganze Mann. Obwohl er noch jung ist, könnte man in dem
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