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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin
Autoren: Martina Kempff
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Hof.
    »Hör zu, Mutter, dein ungehorsamer Sohn wird bei uns schon Mores lernen!«
    Franziska warf sich auf ihren Sohn und versuchte ihm die Stricke abzunehmen. Amüsiert sahen die beiden Soldaten zu, wie sie vergeblich an den Knoten zerrte. »Was wir festbinden, bleibt festgebunden, gute Frau«, meinte der Soldat Karl.
    »Warum mit solcher Gewalt!« klagte sie.
    »Weil's uns eilt. Wir müssen heut noch drei andere holen. Und er soll gleich sehen, daß mit den Leuten des Königs nicht zu spaßen ist.«
    Juliane Assenheimer war inzwischen vom Bock gestiegen und unbemerkt nähergekommen. In ihrem Kopf arbeitete es – und plötzlich wußte sie, wie sie der unglücklichen Bäuerin und ihrem Sohn helfen könnte.
    »Mit mir ist auch nicht zu spaßen, wenn man seine Rechnungen nicht bezahlt«, rief sie, zog aus einer Tasche ihres weiten braunen Kleides ein abgegriffenes Heft und blätterte darin herum.
    »Karl Scheible, stimmt's?«
    Mit gerunzelter Stirn wandte sie sich an den jüngeren Soldaten. »Zwei Krüge Bier …«
    »Weg mit dir, Weib!« bellte der ältere Soldat. »Deine Geschäfte erledige im Marketenderzelt. Wir müssen arbeiten!«
    Juliane blickte auf Franziskas verzweifeltes Gesicht und war ein wenig enttäuscht, daß es dem von Johannes Gerter so gar nicht glich. Sie hob den Kopf und sah an der Tränke nur die beiden Pferde der Soldaten. Also war der Leutnant entweder schon weggeritten oder würde noch kommen. Mitleidig blickte sie auf den gefesselten Jungen, der sich im Staub wand und der Gerter etwas ähnlicher sah als seine Mutter.
    »Ich wußte gar nicht, daß der Krieg schon ausgebrochen ist«, sagte sie zu den Soldaten. »Ist das euer erster Kriegsgefangener oder übt ihr an ihm nur?«
    »Du solltest dich über jeden freuen, der seinen Sold in dein Zelt tragen wird«, meinte der ältere Soldat und gab Georg einen Stoß.
    Der junge Mann stöhnte. Juliane schob Franziska zur Seite und baute sich vor den Soldaten auf.
    »Euch werde ich in Zukunft Milch einschenken! Ihr benehmt euch wie Buben auf dem Jahrmarkt! Und heute abend muß ich mir dann wieder anhören, was für prächtige Kerle ihr doch seid. Ein Junge, halb so groß wie ihr! Nehmt ihm die Stricke ab, wo soll er denn schon hinlaufen! Noch dazu barfuß, bei dieser Kälte!«
    Sie funkelte die beiden Männer aus fast schwarzen Augen an. Ihr Auftritt gab Franziska Mut. Sie drohte, ihren Bruder, Leutnant Gerter, über diese rüden Anwerbungsmethoden zu informieren. Julianes Herz hüpfte bei der Nennung des Namens, aber die Soldaten zeigten sich wenig beeindruckt.
    »Dein Herr Bruder wird froh sein, daß wir unseren Auftrag so gut erfüllen. Das Militär ist nun mal dazu da, aus Buben Männer zu machen.«
    Nach dieser fast freundlich vorgebrachten Belehrung versuchte es Franziska mit Bestechung.
    »Kann ich ihn nicht loskaufen? Nennt mir eure Summe.«
    »Die Zeiten sind vorbei, gute Frau«, erwiderte der ältere Soldat. »Der König braucht jeden Mann. Nur die Juden dürfen sich noch loskaufen.«
    Georg Mössner wand sich stöhnend am Boden.
    »Bindet mich los! Die Frau hat recht, ich werde schon nicht weglaufen.«
    Ein Peitschenschlag traf ihn.
    »Wir sind hier diejenigen, die Befehle geben! Du mußt schon untertänigst darum bitten, daß wir dich losbinden.«
    »Ich bitte untertänigst, losgebunden zu werden.«
    »Das klingt schon besser.«
    Die Soldaten hielten Juliane nicht auf, als sie sich bückte und mit geübter Hand die Stricke löste. Er ist noch fast ein Kind, dachte sie betroffen, sah sich seine Füße an, rannte dann zu ihrem Wagen und kehrte mit einem Paar Stiefel zurück.
    »Die müßten ihm passen«, sagte sie zu Franziska, »und er wird sie brauchen können.«
    Franziska nickte stumm.
    Der jüngere Soldat warf ihr einen abgewetzten Tornister zu und forderte sie auf, Wäsche, Essen und etwas Geld einzupacken, das beste Pferd aus dem Stall zu holen und ihnen ein Fäßchen ihres hervorragenden Weines mitzugeben.
    »Wann werde ich meinen Sohn denn wiedersehen?« fragte sie.
    »Wenn über dem Kreml die französische Flagge weht«, erklärte der ältere Soldat.
    Ob sie wisse, was und vor allem wo der Kreml wäre, fragte Franziska später, als sie mit Juliane die Zwiebeln vom Küchenboden auflas.
    »Vielleicht wohnt da der Zar? Ein Schloß? Ich weiß es nicht«, erwiderte Juliane und nutzte die Gelegenheit, endlich den Mann ins Gespräch zu bringen, den sie gehofft hatte, auf dem Hof anzutreffen: »Ihr Bruder würde es wissen.«
    »Ja, aber
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