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Die Marketenderin

Die Marketenderin

Titel: Die Marketenderin
Autoren: Martina Kempff
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jenem Abend, als er aus Ludwigsburg heimkam.
    »Ich habe den Dienst quittiert!« schrie er sie an.
    »Wieso? Hat dein König dich nicht gebührend belobigt?« fragte sie ungerührt.
    »Weißt du, was er mich gefragt hat, als ihm gesagt wurde, daß ich zweimal in Moskau war – ›warum war Er zweimal in Moskau?‹ Stell dir das vor!«
    »Und?«
    »›Mit den Franzosen als Besatzer und als Gefangener der Russen‹, habe ich geantwortet, worauf er meinte, er verstehe das nicht ganz, aber es wäre sicher hochinteressant. Er verstehe es nicht ganz! Hochinteressant! Wir haben unsere Köpfe hingehalten und der König versteht das nicht ganz! Das finde ich hochinteressant!«
    Juliane drückte ihm eine Tasse Tee in die Hand.
    »Nur weil der König nicht nachgedacht hat, willst du den Dienst quittieren?«
    »Es gibt noch einen Grund.« Finster blickte er in seine Teetasse. »Auf Befehl des Königs haben alle gefangenen Offiziere ihre Anciennität verloren und keinen Anspruch darauf, daß die Gage rückwirkend ausgezahlt wird! Dies ist der Dank für unseren Einsatz. Ich bin also kein Oberleutnant mehr, Juliane, und ich will überhaupt kein Offizier mehr sein. Dies war mein letzter Tag in Uniform.«
    »Was willst du dann tun?« fragte sie beunruhigt.
    »Meinst du nicht, daß dein Buchladen auch mich noch ernährt?«
    »O nein!« rief sie. »Das ist mein Geschäft! Ich brauche niemanden, der mir erzählt, wie ich es besser machen kann, und der vielleicht einen Salon für gebildete Leute aus meinem Laden macht. Ich möchte, daß da auch die einfachen Leute hinkommen, solche wie ich, die neugierig sind, die was lernen wollen. Wenn sich nur deinesgleichen darin aufhält, dann traut sich doch kein Handwerker, kein Schäfer, keine Marketenderin rein. Aber, warte mal …«, sie ging zum Samowar, der auf dem Seitentisch blubberte und schenkte sich ebenfalls eine Tasse Tee ein, »du könntest still in einer Ecke sitzen und russische Bücher übersetzen. Das wollen die Leute lesen, ich werde dauernd danach gefragt, weil viele es so spannend finden, was in Rußland passiert.«
    Keine schlechte Idee, dachte Johannes, ich wollte schon immer Privatgelehrter sein. Und vielleicht finde ich jemanden, der mein Rußland-Tagebuch druckt, damit die Welt erfährt, was auf diesem schauderhaften Feldzug wirklich passiert ist.
    Zu diesem Zeitpunkt konnte er noch nicht wissen, daß sein Buch erst 22 Jahre später herauskommen würde, und zwar im Verlag jenes Jakob Ferdinand Schreiber, der in diesem Augenblick vollmundig »Mammila« jauchzte.
    Johannes konnte den Besuch bei seiner Schwester nicht länger hinauszögern und an einem schönen Sommertag ließ er anspannen und fuhr mit Juliane zu jenem Hof, auf dem sie vor mehr als zwei Jahren Zeugin von Georg Mössners Rekrutierung geworden war. Sie hatten sich zuvor darauf geeinigt, seiner Mutter zu erzählen, daß er den Heldentod gestorben sei. Juliane zweifelte, daß sich Franziska Mössner noch an sie erinnern würde und sie hatte recht.
    Gerters Schwester empfing sie herzlich, aber mit einer gewissen Hochachtung, so, als wäre sie eine Dame der feinsten Gesellschaft. Sie führte sie auch nicht in die Küche, sondern in ein vollgestopftes Wohnzimmer, dem anzumerken war, daß es nur an Festtagen benutzt und nie gelüftet wurde. Fast unauffällig legte Johannes einen dicken Umschlag auf eine Kommode und fragte seine Schwester, wie es ihr gehe.
    Nachdem sie eine Weile über den schlechten Gang der Geschäfte und ihr Rückenleiden geklagt hatte, räusperte sich Johannes und setzte an: »Franziska, es tut mir leid, daß ich dir von Georg berichten muß …«
    »Ich weiß.« Begütigend berührte die Bäuerin Johannes Hand. »Ich weiß alles.«
    »Alles?« fragte Juliane erschrocken.
    »Ja«, antwortete Franziska, stand auf und öffnete eine Schublade von der Kommode, auf die Johannes den Umschlag gelegt hatte. »Ich weiß, daß er den Heldentod gestorben ist, daß er mutig und furchtlos war und auch wenn es mir das Herz bricht, so bin ich doch stolz auf ihn, weil er ehrenvoll fürs Vaterland gestorben ist.«
    Ungläubig starrten Johannes und Juliane auf eine Sammlung von mindestens fünfzehn Orden, die Franziska vor ihnen ausbreitete.
    »Ich habe immer gewußt, daß mir der Georg irgendwann einmal Ehre machen wird«, erklärte Franziska stolz.
    Während sie das Loblied ihres Sohnes sang, dachte Juliane betroffen an ihren eigenen Sohn. Auch sie setzte so viele Hoffnungen in Jakob, erwartete von ihm, daß
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