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Die Magie Des Herrschers

Die Magie Des Herrschers

Titel: Die Magie Des Herrschers
Autoren: Markus Heitz
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Besitzer. Schwungvoll holte er aus und warf es hinunter in die Schuttmassen, wo es klirrend zwischen Felsbrocken verschwand. Schlagen wir nun das nächste Kapitel der Geschichte auf, Tzulan.
    Nesreca drehte sich um und beeilte sich, zu seinem neuen Herrn aufzuschließen.

    Das laute Weinen und Schluchzen, das durch die Räume des Palastes hallte, rührte jeden der Bediensteten bis ins Mark. Nur selten ebbten die Töne ab, doch dann schwollen sie umso lauter an und glichen dem Heulen eines einsamen, verletzten Tieres.
    Krutor trauerte seit Tagen auf diese erschütternde, ergreifende Weise um seinen Vater. Beinahe ununterbrochen war seine Klage zu vernehmen, und er verweigerte Nahrung ebenso gleichgültig wie Flüssigkeit.
    Hatten Govan und Zvatochna eher mit einem Anfall unendlicher Wut und großflächiger Zerstörung des Palastes gerechnet, überraschte sie die Empfindsamkeit des missgestalteten Bruders, dessen kindliches Gemüt den Schmerz nur auf diese Weise auszudrücken vermochte. Der Hass auf diejenigen, die Lodrik angeblich getötet hatten, würde unweigerlich folgen.
    Der Zustand der Ohnmacht legte sich über alle Untertanen des Reiches. Die Erschütterung über den Verlust des geliebten, ja, beinahe vergötterten Herrschers, der in all den Jahren der Regierung Wohlstand und Ausgleich zwischen Arm und Reich geschaffen hatte, lähmte das Land. Niemand konnte es fassen, dass der Kabcar tatsächlich einem Anschlag der Kensustrianer zum Opfer gefallen sein sollte, und nur ganz allmählich setzte sich die Erkenntnis bei den Untertanen durch.
    Dieses Verständnis für die Lage fehlte Krutor allerdings noch, er gab sich ganz seinem seelischen Schmerz hin.
    Lediglich wenn Zvatochna in seinem Zimmer erschien und ihm tröstend die Hände auf den Kopf legte, dämmte sich der Strom der Tränen etwas ein.
    »Du musst begreifen, dass Vater nicht mehr zurückkommt«, sagte sie leise und legte seinen deformierten Schädel auf ihre Knie. »Wir sind jetzt diejenigen, die die Fürsorge für die Menschen auf dem Kontinent übernehmen müssen. Und wir rechnen dabei fest mit dir, lieber Bruder.«
    Aus der fassgroßen Brust des Heranwachsenden drang ein Schluchzen als Antwort. »Ich will nicht regieren. Vater soll das machen.«
    Die Tadca strich ihm beruhigend über das Haar. »Vater ist tot, Krutor. Er wird niemals mehr zurückkehren. Die Kensustrianer haben ihn umgebracht, nun liegt er begraben unter Tonnen von Felsen.«
    »Wir lassen ihn aber nicht dort liegen?« Sein Kopf ruckte hoch, flehend schaute er seine hübsche Schwester an.
    »Wir haben schon Hunderte von Arbeitern in den Steinbruch geschickt, die nach ihm suchen sollen«, erklärte sie beschwichtigend. »Und er erhält ein würdiges Begräbnis, wie es einem Helden, der er war, gebührt.«
    »Und wir machen alle gleich?« Nur zu gut erinnerte sich der Krüppel an Lodriks Pläne. »Vater wollte das doch.«
    Zvatochna schenkte ihm ein wehmütiges Lächeln und strich ihm über die Stirn. »Ja, das machen wir. Wir sorgen dafür, dass sich Vaters Wille erfüllt.« Sie nahm seine Hände. »Aber noch nicht gleich. Erst müssen wir die letzten Widerstrebenden besiegen, damit wir Vaters Idee von einem besseren Reich in die Tat umsetzen können.« Ihre Hand langte nach dem Tablett, nahm vom Brot und hielt es ihm hin. »Dazu brauchen wir dich. Gesund und bei Kräften. Du bist doch unser bester Kämpfer, lieber Krutor.«
    »Ich werde die Grünhaare zu Brei zerstampfen«, grollte er und nahm Zvatochna den halben Laib Brot ab. Ohne großen Genuss biss er ein Stück ab und kaute zäh. »Ich habe keinen Hunger. Wie kommt das?«
    »Du bist voller Trauer. Deshalb willst du nichts essen«, erklärte seine Schwester teilnahmsvoll.
    Ein wenig unsicher und erstaunt zugleich blickte er sie an. »Und du nicht?«
    »Doch, aber …« Die Tadca nickte hastig, eine Träne quoll aus ihrem Augenwinkel, ihre Schultern bebten unter einem gespielten Anfall von Verzweiflung. »Aber sicher«, sagte sie mit erstickter Stimme und holte ein Taschentuch hervor. »Ich zwinge mich dazu, nicht unter meiner Trauer zusammenzubrechen. Denn ich will Kensustria nicht die Genugtuung geben, dass sie die Kinder des Kabcar durch Gram töten.« Sie warf sich an seinen Hals und drückte ihn. »Govan, du und ich, wir zeigen es ihnen, nicht wahr?«, flehte sie.
    »Natürlich«, versprach Krutor ihr sofort und begann von neuem zu schluchzen. Vorsichtig erwiderte er ihre Umarmung; die Angst, seine Schwester mit seinen enormen
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