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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall
Autoren: Julie Klassen
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musste.
    Er spürte, dass ihn jemand ansah, und blickte auf. Robert Hudson stand auf der Schwelle und betrachtete ihn aufmerksam.
    Hudson hielt ein zweites Schreiben in der Hand. Er hob es hoch, als böte er auf einer Auktion. »In ihrem Brief an mich hat sie geschrieben, dass Betty Tidy eine Lohnerhöhung verdient.« Er sah auf den Brief hinunter. »Und dass ich eine Joan Hurdle von Hayfield als Ersatz für sie einstellen soll.« Hudson sah ihn wieder an. »Was hat sie Ihnen geschrieben?«
    Nathaniel blinzelte. »Dass ich Ihnen erlauben soll, meine Schwester zu heiraten.«
    Hudson riss die Augenbrauen hoch. »Das hat sie gesagt?«
    »Ja.«
    Nathaniel wünschte sich nichts mehr, als sein Pferd satteln zu lassen und sofort aufzubrechen, aber er konnte nicht gehen. Noch nicht.
    »Herr, bitte beschütze sie vor Benton. Und lass sie nichts Dummes tun, bis ich dortbin.«

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
33

    Wer kein guter Diener ist, ist auch kein guter Herr.
    Plato
    Nora Garret nahm den ersten Lohn, den sie in ihrem Leben verdient hatte, ging ins Maidstone Star Hotel und kaufte eine Fahrkarte nach London. In dem kleinen Zimmer hinter dem Speisesaal des Hotels, das den weiblichen Fahrgästen vorbehalten war, legte sie ihre Schürze, Perücke und Haube ab und steckte die Brille ihres Vaters vorsichtig in ihre Reisetasche.
    Ein paar Minuten später tauchte Margaret Elinor Macy in einem schlichten, aber zweckdienlichen blauen Kleid, Umschlagtuch, Hut und Handschuhen auf, das blonde Haar zu einem schlichten Knoten aufgesteckt. Wie leicht und frei sie sich fühlte ohne Perücke und Hau be! Und wie seltsam verwundbar.
    Schon bald wurde ihre Kutsche aufgerufen und Margaret ging hinaus. Die Wache half ihr beim Einsteigen. Sie setzte sich auf die Bank gegenüber von einem alten Geistlichen und seiner Frau, lächelte beide höflich an, schloss dann aber die Augen, um nicht in ein Gespräch verwickelt zu werden. Sie musste nachdenken.
    Die ganze Fahrt über hielt sie entweder ein Schläfchen oder führte Selbstgespräche; sie fragte sich, ob es richtig gewesen war, Fairbourne Hall zu verlassen, und ob es überhaupt eine Hoffnung gab, Carolines Heirat zu verhindern. Sie war entschlossen, Sterling den größten Teil ihres Erbes anzubieten, wenn er Marcus verbot, Caro­ line zu heiraten. Wenn er sich weigerte, würde sie ihm anbieten, den Bastard anstelle ihrer Schwester selbst zu heiraten, hoffentlich mit einem vernünftigen Ehevertrag. Obwohl sie betete, dass es dazu nicht kommen möge.
    Mehrere Stunden später traf die Kutsche in London ein; Endstation war ein Gasthaus ein gutes Stück von Berkeley Square entfernt.
    Margaret nahm sich eine Mietdroschke und fuhr zuerst zum Haus von Emily Lathrop. Sie überlegte flüchtig, ob der Runner, dem sie begegnet war – oder ein anderer – noch immer vor dem Haus he­rumlungerte und auf sie wartete, doch es war alles ruhig. Man hätte glauben können, Sterling habe aufgegeben, wenn die Verlobungsanzeige nicht gewesen wäre. Wahrscheinlich war es ihm zu teuer geworden, die Runner zu bezahlen, und er versuchte es mit einer anderen Methode.
    Der Lakai der Lathrops ließ sie ein, doch noch bevor er sie anmelden konnte, kam Emily schon in die Halle gelaufen.
    »Margaret, ich bin so froh! Ich dachte schon, ich würde dich nie wiedersehen.« Emily umarmte sie und führte sie ins Wohnzimmer. »Ich war so froh, als dein Brief kam. Ich habe ihn auch deiner Familie gezeigt. Mir blieb nichts anderes übrig. Vater hat es Sterling gegenüber erwähnt und er bestand darauf, den Brief zu sehen.«
    »Er hat alles abgestritten, nicht wahr?«
    »Ja.« Ihre Freundin zögerte. »Und angesichts der jüngsten Ereignisse …«
    »Jüngste Ereignisse« – das bedeutete natürlich Marcusʼ Verlobung mit ihrer Schwester. So viel zu der »verzweifelten« Entschlossenheit des Mannes, Margaret zu heiraten, wie sie in ihrem Brief geschrieben hatte.
    Margaret blieb nicht lange – nur gerade lange genug, um ihrer alten Freundin zu versichern, dass es ihr gut ging, und um sicherzustellen, dass jemand darüber Bescheid wusste, dass sie in das Haus am Berkeley Square zurückgekehrt war.
    So irrational der Gedanke auch sein mochte, sie wollte Sterling nicht in Versuchung führen, sie abermals »verschwinden« zu lassen, diesmal für immer, um ihr Erbe schließlich doch noch in die Finger zu bekommen.
    Emily bot ihr an, sie zu begleiten. Margaret dankte ihr, lehnte jedoch ab. Sie musste ihm allein gegenübertreten.
    »Aber du
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