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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers
Autoren: Susanne Stein
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Friedrichs Händen.
    »Phantasierst du? Bianca, bitte beruhige dich. Du bist schwanger, und du brauchst Ruhe. Karim, kümmert Euch um sie.«
    Bianca war sprachlos vor Empörung und Entsetzen. Er schickte sie wie ein Kind aus dem Zimmer und behandelte sie wie eine kranke Törin, die nicht mehr Herrin ihrer Sinne war. Konstanze war ihre Tochter, und auch Konrad war ihr wie ein eigener Sohn ans Herz gewachsen. Sie würde es nicht zulassen, dass irgendjemand ihre Kinder entführte. Karim machte einen Schritt auf sie zu, aber sie lief ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer. Sollte Friedrich die Wachen doch weiter den Palast durchkämmen lassen, sie würde ihrem Gefühl folgen. Und das sagte ihr, zum nächstgelegenen Stadttor zu reiten und die Wächter zu fragen, wer noch spät am Abend Foggia verlassen hatte.
    Sie hatte keine Zeit, sich noch einmal umzuziehen, und ging mit schnellen Schritten in den Hof. Der Geruch der Raubtiere schlug ihr entgegen. Selbst dann, wenn die Löwen nicht zu sehen waren, schienen sie durch den Gestank nach Dung und Blut allgegenwärtig. Pferde, die zum ersten Mal in den Palasthof geführt wurden, scheuten und zitterten vor Angst. Doch mit der Zeit gewöhnten sie sich an die Gegenwart der Wildkatzen, die hinter ihren Eisengittern sicher verwahrt waren.
    Bianca erreichte die Ställe und nahm sich, ohne zu zögern, eines der gesattelten Pferde, die die Stallburschen für die eiligen Boten des Kaisers bereithielten. Sie verließ den Hof, der von Fackeln erleuchtet war, und ließ das Pferd langsam über das Steinpflaster gehen. Die Straßen waren dunkel, doch aus etlichen Häusern fiel noch schummriges Licht, und die Gaststuben hatten sogar an den Eingangstüren Fackeln aufgesteckt.
    Das erste Stadttor, das sie erreichte, war geöffnet, und von den Wächtern war niemand zu sehen. Sie nahm einen der größeren Kienspäne, die das Tor beleuchteten, und folgte der Straße, die von der Stadt zur Küste führte.
    Sie hörte nichts als das Rauschen der Bäume im Wind, und der Gedanke, dass sie die Kinder nicht wiedersehen würde, versetzte sie erneut in Angst und Schrecken. Der Kienspan warf genügend Licht auf den Weg, dass sie es wagen konnte, in schnellem Trab zu reiten, und allmählich kam sie der Küste näher.
    Sie durchquerte ein Kiefernwäldchen und sah, dass die Straße längst nicht mehr aus hartem Lehm, sondern aus weichem Sand bestand. Bianca hatte den Strand fast erreicht, als sie einen durchdringenden Pfiff und dann lautes Gebrüll hörte. Ihr Pferd scheute vor Schreck, doch sie trieb es energisch vorwärts, und wo der Wald endete und der Strand begann, erkannte sie im Schein einer Fackel Männer, die um Leben und Tod kämpften.
    Sie jagte das Pferd auf den Strand, hörte ein Kind schreien und entdeckte einen Mann, der Konstanze und Konrad an den Händen hielt und hinter sich herzerrte. Bianca sprang aus dem Sattel, stolperte über den Saum ihres Kleides, fing sich wieder und stürzte auf den Mann zu, der jetzt versuchte in ein Ruderboot zu klettern.
    »Konstanze, Konrad«, schrie sie, und der Junge riss sich mit aller Kraft los und rannte ihr entgegen. Außer Atem erreichte sie das Boot, das bereits im Wasser lag, und klammerte sich an dem Holz fest. »Lass mein Kind los«, keuchte sie und schlug mit den Fäusten auf den Mann ein. Er entdeckte den Jungen, der zurück über den Strand lief, stieß einen gellenden Wutschrei aus und warf Konstanze ins Meer.
    Einen Wimpernschlag lang war Bianca wie gelähmt, dann sah sie ihr Kind in den Wellen versinken, und voller Verzweiflung holte sie tief Luft, tauchte in das Wasser und versuchte vergeblich die Dunkelheit zu durchdringen. Ihre Füße spürten keinen Grund mehr, die Wellen schlugen über ihr zusammen, und ihr Kleid klebte an ihr und fesselte ihre Beine. Mit aller Kraft paddelte sie gegen ihr eigenes Ertrinken an, aber sie konnte ihr Kind nicht finden.
    Sie keuchte und kämpfte und merkte, dass sie schwächer wurde. Ihre Finger berührten etwas Weiches, und sie fühlte, wie feines Haar über ihre Hände strich. Blindlings griff sie in das dunkle Wasser und hielt den Körper ihres Kindes fest. Sie versuchte Konstanze über Wasser zu halten, doch sie schluckte selbst unablässig die salzige Flüssigkeit, und immer wieder schlug eine Welle über ihren Kopf. Sie hatte völlig die Orientierung verloren, wusste nicht einmal mehr, in welcher Richtung sich der Strand befand.
    Wir treiben aufs Meer, dachte sie und schloss vor Entsetzen die Augen.

B
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