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Die Märchen von Beedle dem Barden

Die Märchen von Beedle dem Barden

Titel: Die Märchen von Beedle dem Barden
Autoren: J.K Rowling
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zurückzuholen.
    Und dann fragte der Tod den dritten und jüngsten Bruder nach seinem Wunsch. Der jüngste Bruder war der genügsamste und auch der weiseste der Brüder, und er traute dem Tod nicht. Also bat er um etwas, das es ihm ermöglichen würde, von dannen zu gehen, ohne dass ihn der Tod verfolgte. Und der Tod übergab ihm, höchst widerwillig, seinen eigenen Umhang, der unsichtbar machte.
    Nun trat der Tod beiseite und erlaubte den drei Brüdern, ihre Reise fortzusetzen, und dies taten sie und sprachen voller Staunen über das Abenteuer, das sie erlebt hatten, und bewunderten die Geschenke des Todes.
    Bald darauf trennten sich die Brüder und ein jeder ging seines Weges.
    Der erste Bruder war über eine Woche auf Wanderschaft, als er in ein fernes Dorf gelangte, wo er sich einen anderen Zauberer suchte, mit dem er einen Streit begann. Natürlich konnte er mit dem Elderstab als Waffe in dem Duell, das darauf folgte, nur gewinnen. Der älteste Bruder ließ seinen Gegner tot auf der Erde liegen und begab sich in ein Wirtshaus, wo er lautstark mit dem mächtigen Zauberstab prahlte, den er dem Tod selber entrissen habe und der ihn unbesiegbar mache.
    Noch in derselben Nacht schlich sich ein anderer Zauberer an den ältesten Bruder heran, der trunken vom Wein auf seinem Bett lag. Der Dieb nahm den Zauberstab und schnitt dem ältesten Bruder obendrein die Kehle durch.
    Und so machte der Tod sich den ersten Bruder zu eigen.
    Unterdessen wanderte der zweite Bruder nach Hause, wo er allein lebte. Hier nahm er den Stein hervor, der die Macht hatte, die Toten zurückzurufen, und drehte ihn drei Mal in der Hand. Zu seiner Verwunderung und Freude erschien vor ihm sogleich die Gestalt jenes Mädchens, das er einst hatte heiraten wollen, ehe sie vorzeitig gestorben war.
    Doch sie war stumm und kühl, wie durch einen Schleier von ihm getrennt. Obgleich sie in die Welt der Sterblichen zurückgekehrt war, gehörte sie in Wahrheit nicht dorthin und litt. Schließlich wurde der zweite Bruder wahnsinnig vor unerfüllbarer Sehnsucht, und er tötete sich, um wirklich bei ihr zu sein.
    Und so machte der Tod sich den zweiten Bruder zu eigen.
    Doch obwohl der Tod viele Jahre lang nach dem dritten Bruder suchte, konnte er ihn niemals finden. Erst als der jüngste Bruder ein hohes Alter erreicht hatte, legte er schließlich den Umhang ab, der unsichtbar machte, und schenkte ihn seinem Sohn. Und dann hieß er den Tod als alten Freund willkommen und ging freudig mit ihm, und ebenbürtig verließen sie dieses Leben.

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    Albus Dumbledore zu
»Das Märchen von den drei Brüdern«
    Als ich ein kleiner Junge war, machte diese Geschichte einen tiefen Eindruck auf mich. Ich hörte sie erstmals von meiner Mutter, und sie sollte bald zu dem Märchen werden, das ich zur Schlafenszeit öfter als alle anderen begehrte. Das führte häufig zum Streit mit meinem jüngeren Bruder Aberforth, dessen Lieblingsgeschichte »Zicke, die zottlige Ziege« war.
    Die Moral des »Märchens von den drei Brüdern« könnte gar nicht klarer sein: Menschliche Bemühungen, dem Tod zu entgehen oder ihn zu überwinden, führen zwangsläufig zu Enttäuschung. Der dritte Bruder in der Geschichte (»der genügsamste und auch der weiseste«) ist der einzige, der begreift, dass er, nachdem er dem Tod ein Mal knapp entronnen ist, bestenfalls hoffen kann, die nächste Begegnung mit ihm so lange wie möglich hinauszuzögern. Dieser jüngste Bruder weiß, dass den Tod zu verhöhnen — indem man sich wie der erste Bruder auf Gewalt einlässt oder wie der zweite Bruder auf die düstere Kunst der Nekromantik [Fußnote: Nekromantik ist die dunkle Kunst der Auferweckung der Toten. Sie ist ein Zweig der Magie, der niemals funktioniert hat, wie diese Geschichte deutlich macht. JKR] — nichts anderes bedeutet, als sich einem gewieften Feind entgegenzustellen, der nie verlieren kann.
    Ironischerweise hat sich rund um diese Geschichte eine seltsame Legende entwickelt, die der Botschaft des Originals genau widerspricht. Dieser Legende zufolge sind die Geschenke, die der Tod den Brüdern gibt — ein unbesiegbarer Zauberstab, ein Stein, der die Toten zurückholen kann, und ein Tarnumhang, der ewig hält echte Gegenstände, die in der realen Welt existieren. Die Legende geht noch weiter: Sollte irgendjemand in den rechtmäßigen Besitz aller drei Gegenstände kommen, dann wird er oder sie zum »Gebieter des Todes«, was für gewöhnlich so verstanden wurde, dass diese Person unverwundbar,
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