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Die Männer der Raumstation

Die Männer der Raumstation

Titel: Die Männer der Raumstation
Autoren: Hans Kneifel
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die Flüssigkeit ihre Farbe; die Dampfzufuhr wurde abgestellt.
    »Man sollte künstliche Schwerkraft erfinden, aber schleunigst!«, sagte Ion und schwang seinen Sessel zurück. »Was mich an diesem Job so fasziniert, ist die umfangreiche Zeremonie, mit der man eine schlichte Tasse Kaffee zubereitet. Teufel auch!«
    Was Ion jetzt durch den Plastikhalm sog, war aromatischer Kaffee, der jeden Vergleich mit dem, was Junggesellen schlechthin zu kochen pflegen, spielend aushielt. Ion rauchte und trank den Kaffee; wenn er auf einer Einsatzfahrt war, pflegte er wenig zu essen. Er betrachtete die ausdrucksvollste und tiefste Ruhe um sich herum – die Ruhe des Weltraums. Und er lächelte unwillkürlich. Nein ... hier waren keine Gefahren. Jedenfalls nicht mehr als auf einer Autobahn irgendwo auf Terra.
    »Diese vollkommenen Wesen werden natürlich auf eine Zivilisation zurückblicken, die ungleich älter ist als unsere. Aber die denkenden Wesen müssen eines sein, um noch existieren zu können: Spezialisten.«
    Ion nickte zufrieden.
    Langsam sog er den Zylinder leer und vernichtete den Zigarettenrest. Die Nereide raste noch immer dahin, näherte sich dem havarierten Schiff, aber noch immer schwieg das Funkgerät.
    »Sind sie Spezialisten, dann sind sie wiederum unvollkommen – auf ihre Art. Und wenn sie jemanden beobachten, der kein Spezialist ist, werden sie versuchen, herauszufinden, warum er so und nicht anders ist.«
    Ion war gerüstet. Er wußte, was ihn dort weit voraus erwartete und hatte überschlägig ausgerechnet, was es kosten würde, wie lange er brauchen konnte. Er sah auf die große Zentraluhr, verglich die Zeit mit dem errechneten Wert und sah, daß ihn noch knapp vier Stunden von der havarierten Flying Tiger trennten. Da die Gedanken über Sinn und Möglichkeiten der Evolution mangels eines greifbaren Problems reine Theorie blieben, lohnte es sich nicht sonderlich, ihnen nachzugehen. Ion stellte den Wecker ein, überprüfte kurz seine Geräte und Anzeigen und kippte den Sessel nach hinten. Breite Gurte hielten ihn in der schwerelosen Zeit fest. Dann schlief Ion Sandage wieder ein.
     
    *
     
    Alles lag Monate zurück.
    Es war später Abend, und sie saßen im Arbeitszimmer Ions. Eine merkwürdig angespannte Atmosphäre herrschte; etwas Außergewöhnliches lag in der Luft. Man merkte es an dem Schweigen im Raum. Die Musik setzte wieder ein; aus den Lautsprechern der Stereoanlage hämmerten die schnellen Akkorde eines Flamenco. In Schalen, groß wie Goldfischgläser, schimmerte kostbarer Alkohol. Punktlichter des behaglichen Raumes spiegelten sich in dem Bild über Ions Schreibtisch: Pestalozzi, einen Knaben mit der Rute züchtigend, von Caspar David Friedrich.
    Endlich sagte Peer, Ions kahlköpfiger Freund:
    »Höre zu – das kann schließlich jeder Idiot.«
    Ion lachte sarkastisch und ließ den Flüssigkeitsspiegel im Glas kippen.
    »Wenn es jeder Idiot kann«, fragte er behutsam, »warum ist dann diese verdammte Station nicht hoffnungslos überfüllt? Ich kann dir ohne jedes Nachdenken etwa zehntausend nachweisbar klassische Debile nennen. Schließlich bin ich – noch – Pädagoge!«
    Peer musterte Ion aus hellblauen Augen, die unter buschigen Brauen lagen.
    »Weil«, erwiderte er gedehnt, »diese Idioten keinen Mut haben, ihren Status zu verändern.« Der Nachhall eines Akkordes verklang.
    »Wie wahr!« sagte Ion. »Und aus welchem Grund kommst du gerade auf die Idee, mit mir in die unfreundliche Kälte des Alls hinauszuziehen und dort, gehüllt in silberne Raumanzüge, Schiffe zu reparieren und aufzutanken ... und was derlei noch mehr ist?«
    Peer grinste anzüglich.
    »Ich bin der Mann des Schraubenschlüssels, du bist der des Geistes. Die besten Partner. Vier Augen sehen mehr als zwei. Und wenn ich an deinen sprichwörtlichen Geiz denke ...«
    Peer ließ sich seitwärts aus dem Sessel fallen und wich dem geschleuderten Buch aus, das auf der breiten Liege landete. Gerstl: Die Kunst des Lehrens, entblätterte sich und verstreute seinen Inhalt.
    Aufgebracht sagte Ion schnell: »Solange ich noch mit großzügigen Darlehen die Erziehung deiner zahlreichen Kinder ebenso zahlreicher ›Damen‹ finanziere, bleibt mir nichts anderes übrig, als sparsam mit meinem Geld umzugehen. Und das nennst du dann Geiz!«
    »Unterbrich mich nicht ständig«, sagte Peer. »Da du jedenfalls mit Geld virtuos umzugehen weißt, ich hingegen meine beträchtlichen Kenntnisse der Raumschiffsmechanik mitbringe, dürfte sich dieser
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