Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
Belustigung.
Eleonora runzelte die Stirn. »Es ist angenehmer für alle Seiten, wenn er nicht dabei ist. Er weiß es natürlich, ich erzähle es ihm immer. Tino ist Pasquales Sohn, damit muss Fausto fertigwerden, und er versucht es auch. Einfach ist es nicht, für keinen von uns, aber wir alle geben unser Bestes.«
»Ich finde, dass ihr es vorbildlich macht«, sagte Sanchia mit tief empfundener Ehrlichkeit.
Eleonora nickte. Seufzend wandte sie sich zu Sanchia um. »Warum ist er nicht da?«
Sanchia stellte sich dumm. »Wer, Pasquale?«
»Nein, dein Mann.«
»Er musste sich einschiffen.«
»Wohin?«
»Nach … England«, improvisierte Sanchia.
»Du lügst.«
Chiara wurde wach und enthob Sanchia der Notwendigkeit, sofort antworten zu müssen. Sie setzte sich mit der Kleinen auf und wiegte sie in den Armen, bevor sie hastig ihr Haar zurückstrich, ihre Brust entblößte und Chiara anlegte.
Eleonora gab einen Laut des Entsetzens von sich, als sie die rötlich blauen Schwellungen sah, die sich über Sanchias gesamten Brustkorb zogen. Auch die Striemen und Würgemale an ihrem Hals und die große, blutig geschürfte Beule an ihrer Stirn waren nun im Licht der Kerzen gut zu sehen. Sie hatte ihren Körper ein Dutzend Mal gewaschen und mit einer harten Bürste geschrubbt, als hätte sie dadurch die Spuren der erlittenen Gewalt tilgen können, doch natürlich hatte sie nur damit bewirkt, dass die geschwollenen Stellen noch stärker hervortraten. Sie fühlte sich hässlich und entstellt und wund an Leib und Seele. Am liebsten hätte sie jemanden dafür getötet, auch dafür, dass Lorenzo sie verlassen hatte.
»Es sieht schlimmer aus, als es ist«, krächzte sie.
»Ich weiß , wie schlimm es ist«, versetzte Eleonora. »Ich habe nicht vergessen, wie es sich damals angefühlt hat. Und du hattest nicht die Genugtuung, ihn mit dem Messer zu massakrieren.«
Sanchia lächelte kurz und freudlos. »Zu sehen, wie ihm die Augen herausgerissen wurden, war fast genauso gut, glaub mir.« Chiara hörte auf zu saugen und drehte suchend das Köpfchen hin und her. »Ruhig«, murmelte Sanchia. Sie streichelte das Baby und legte es erneut an.
»Ich wünschte wirklich, ich könnte mehr für dich tun«, sagte Eleonora bedrückt.
»Du hilfst mir schon, indem du hier bist.«
Eleonora schüttelte den Kopf. »Das ist nicht genug.« Ihr Gesicht hellte sich auf. »Hast du heute schon zu Abend gegessen?«
Sanchia hätte fast gelacht, weil die Frage ebenso absurd wie typisch für Eleonora war. »Mir war der Appetit vergangen.«
»Der kommt beim Essen.« Eleonora eilte zur Tür. »Dir wird es gleich besser gehen, wenn ich dir erst einen kleinen Imbiss hergerichtet habe!«
Sie stand vor dem Spiegel und betrachtete sich von allen Seiten. Ihre Miene zeigte immer noch einen gepeinigten Ausdruck, der sich auch mit der Schminke nicht zum Verschwinden bringen ließ. Vorsichtig tupfte sie noch mehr von dem Wangenrot auf und verrieb es sanft mit den Fingerspitzen, um sich anschließend erneut prüfend im Spiegel anzusehen. Diesmal war das Ergebnis schon besser, auch wenn die Ringe unter den Augen ihr ein leicht ausgezehrtes Aussehen verliehen. Sie verrieb ein wenig Zinkweiß unter den Lidern und umrandete die Augen anschließend mit einem Hauch Khol, nicht zu viel, nur eine winzige Spur davon, um die Farbe der Iris hervorzuheben. Ja, jetzt war es gut. Wenn ihr Gesicht sie zufrieden stellte, würde der Effekt mit der Perücke dramatisch ausfallen, das wusste sie.
Summend ging sie zur Truhe, holte den Schlüssel aus ihrem rechten Schuh und dachte dabei belustigt, wie einfach es doch bisher gewesen war, alle an der Nase herumzuführen. Sogar den werten Meister Spiegelmacher, der sie eigens vor der Taufe nochmals heimlich aufgesucht hatte, um ihr abermals mit seinen notariell hinterlegten Schriftstücken zu drohen, in denen er alles dokumentiert hatte, was er über sie wusste. Natürlich hatte sie ihm demütig versichert, sich weiterhin an ihre Vereinbarung zu halten, sie war ja nicht verrückt. Oder wenn doch, dann höchstens ein kleines bisschen.
Sie legte lauschend den Kopf schräg, weil sie sich kurz vergewissern wollte, dass sie ungefährdet war, doch es war kein Laut zu hören.
Sie lächelte sich an, glücklich darüber, dass ihre Zähne immer noch weiß und schön waren. Auch ihre Haut konnte sich immer noch sehen lassen, zumindest, wenn sie perfekt geschminkt war. Für ihr Alter sah sie wirklich gut aus.
Sie holte das Kleid aus der Truhe
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