Die Macht des Lichts
Friedensangebot, eine der ihren zu ihrer Behüterin zu machen, zumindest teilweise akzeptiert zu haben.
Natürlich hatte Egwene zwei steif formulierte, von Missbilligung förmlich triefende Briefe ganz unten in dem Stapel liegen - einer von Romanda und einer von Lelaine. Die beiden Frauen hatten ihre überschwängliche Unterstützung beinahe genauso schnell wieder zurückgenommen, wie sie sie gegeben hatten. Im Augenblick stritten sie sich darüber, wie man mit den Damane verfahren sollte, die Egwene während des Angriffs auf die Weiße Burg gefangen genommen hatte; keiner der beiden gefiel Egwenes Plan, sie zu Aes Sedai auszubilden. Anscheinend würden Romanda und Lelaine ihr noch jahrelang das Leben schwer machen.
Sie legte die Berichte zur Seite. Es war später Nachmittag, und Licht spähte durch die Schlitze der geschlossenen Jalousie ihres Balkons. Sie öffnete sie nicht, sondern zog das stille Zwielicht vor. Die Einsamkeit fühlte sich gut an.
Für den Augenblick störte sie die schlichte Ausstattung des Raumes nicht. Sicher, es erinnerte sie etwas zu sehr an das Arbeitszimmer der Oberin der Novizinnen, aber keine Zahl an Wandteppichen würde die Erinnerung an jene Tage auslöschen können, nicht, wenn Silviana ihre Behüterin war. Aber das ging schon in Ordnung. Warum sollte sie diese Tage aus ihrem Gedächtnis streichen wollen? Sie hatte damals einige ihrer wichtigsten Siege errungen.
Auch wenn sie sicherlich nichts dagegen hatte, sich hinsetzen zu können, ohne zusammenzucken zu müssen.
Sie lächelte schmal und wandte sich Silvianas nächstem Bericht zu. Dann runzelte sie die Stirn. Die meisten der Schwarzen Ajah in der Burg hatten entkommen können. Der Bericht in Silvianas sorgfältiger, schwungvoller Schrift verriet ihr, dass es ihnen gelungen war, in den Stunden nach Egwenes Erhebung einige der Schwarzen zu ergreifen, aber es waren nur die Schwächsten unter ihnen gewesen. Der größte Teil von ihnen - etwa sechzig Schwestern - war entkommen. Einschließlich einer Sitzenden, die Egwene schon zuvor aufgefallen war, deren Name aber nicht auf Verins Liste gestanden hatte. Evanelleins Verschwinden war ein deutlicher Hinweis, dass sie eine Schwarze war.
Egwene nahm einen anderen Bericht und runzelte erneut die Stirn. Es war eine Auflistung aller Frauen in der Weißen Burg, eine ausführliche, mehrere Seiten umfassende, nach Ajahs sortierte Liste. Viele Namen trugen einen Verweis an der Seite. Schwarz, entkommen. Schwarz, gefangen. Von den Seanchanern entführt.
Die letzte Gruppe war mehr als ärgerlich. Saerin hatte Voraussicht bewiesen und nach dem Angriff eine Zählung durchgeführt, um genau feststellen zu können, wer gefangen genommen worden war. Beinahe vierzig Eingeweihte - über zwei Dutzend von ihnen vollwertige Aes Sedai -, die in der Nacht gepackt und verschleppt worden waren. Es war wie eine Geschichte, die man Kindern zur Schlafengehenszeit erzählte und die vor Blassen oder Halbmenschen warnte, die unartige Kinder stahlen. Man würde diese Frauen schlagen, einsperren und in nichts anderes als willenlose Werkzeuge verwandeln.
Egwene musste sich zusammenreißen, nicht nach ihrem Hals zu greifen, wo sie der Kragen gefangen gehalten hatte. Im Augenblick würde sie nicht daran denken, verflucht noch mal!
Jedes Mitglied der Schwarzen Ajah auf Verins Liste hatte den Angriff der Seanchaner heil und gesund überstanden. Aber die meisten waren geflohen, bevor Egwene in der Burg eingetroffen war, um ihren Sitz einzunehmen. Velina war weg. Genau wie Chai und Birlen. Und Alviarin; die Jäger der Schwarzen hatten es nicht geschafft, sie rechtzeitig zu erwischen.
Was hatte sie nur gewarnt? Unglücklicherweise hatte es vermutlich damit etwas zu tun, dass Egwene die Schwarzen Ajah im Rebellenlager ergriffen hatte. Sie hatte sich gesorgt, ihr Blatt zu überreizen. Aber was hätte sie sonst tun sollen? Ihre einzige Hoffnung hatte darin bestanden, jede Schwarze im Lager zu erwischen und zu hoffen, dass es sich nicht bis zur Weißen Burg herumsprach.
Aber das war dennoch geschehen. Egwene hatte die zurückgebliebenen Schwarzen gefangen genommen und hinrichten lassen. Dann hatte sie jede Schwester in der Burg erneut die Eide auf den Eidstab schwören lassen. Natürlich hatte ihnen das nicht gefallen. Aber das Wissen, dass das alle Frauen im Rebellenlager getan hatten, hatte sie schwanken lassen. Und wenn es nicht das gewesen war, dann vermutlich die Nachricht, dass Egwene die Hinrichtung ihrer eigenen
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