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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman
Autoren: DeVa Gantt
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zurückgeschickt. Leider konnte er ihr das nicht sagen. Nicht, dass sie ihm nicht geglaubt hätte. Das nicht. Aber sie wollte Colettes Namen nie wieder hören. Und er ließ nicht zu, dass sich die Vergangenheit noch einmal zwischen sie drängte. Colette hatte klar gesagt, dass sie zu Frederic gehörte, und er war endlich bereit, das zu respektieren. Es war ihm nicht mehr wichtig. Es war vorbei. Es war endlich vorbei. Mit einem Seufzer zog er Charmaine an sich und schloss die Augen. Eine tiefe Ruhe ergriff von ihm Besitz und stimmte ihn hoffnungsfroh.

EPILOG

    Freitag, 8. März 1839
    Strahlend schön dämmerte der Morgen empor … trotzdem würden sie heute die Insel verlassen und nach Richmond und später weiter nach New York segeln. Charmaine hatte große Mühe, sich gegen ihre sentimentalen Gefühle zu wehren. Als sie die letzten Kleidungsstücke aus ihrer Kommode nahm, schlang John die Arme um sie, weil er ihre Gedanken ahnte. »Sei nicht traurig, my charm . Wir gehen ja nicht für immer fort.« Sie drehte sich in seinen Armen zu ihm um und küsste ihn, und nachdem er gegangen war, packte sie die letzten Sachen ein.
    Colettes Brief war nicht mehr dort, wo sie ihn wieder hingelegt hatte, obwohl seine Hemden noch unberührt in der Schublade lagen. Ob er ihn bei sich trug? Hatte er gemerkt, dass er nicht mehr genau auf der richtigen Stelle lag, und befürchtet, dass sie ihn womöglich sogar gelesen hatte? Sie konnte ihn danach fragen, ihm erzählen, dass sie den Brief rein zufällig gefunden hatte und beinahe auch gelesen hätte. Irgendwann, überlegte sie. Irgendwann, aber nicht heute. Der heutige Tag war schon traurig genug.
    Mittlerweile war John fast zwei Monate zu Hause und allen Anzeichen zufolge völlig wiederhergestellt. Inzwischen war es März, und im milden Wetter hatten sie viele schöne Stunden zusammen verbracht. Ihr Vater war mit den Harringtons Ende Januar nach Virginia zurückgereist, und sie freute sich auf das Wiedersehen. Warum also war sie so niedergeschlagen? Charmantes. Charmantes war ihre Heimat und würde es immer bleiben.
    Den blitzenden Diamantring trug sie schon lange nicht mehr am Finger und hatte sich stattdessen für Elizabeths Ehering entschieden. Der Diamant baumelte an einer langen Goldkette, die Frederic ihr zur Hochzeit geschenkt hatte, und ruhte unter ihren Kleidern direkt über ihrem Herzen. »Zu besonderen Anlässen stecke ich ihn natürlich auf den Finger«, hatte sie John versprochen. »Aber hier ist er sicherer aufgehoben.« Dabei hatte sie die Hand auf ihre Brust gelegt.
    »Da bin ich ganz sicher«, hatte er geantwortet und frech gegrinst. »Aber bei unserer Ankunft in Richmond musst du ihn unbedingt tragen, damit die Klatschbasen endlich einen echten Grund zum Tratschen haben.«
    »Aber, John!«
    »Du kannst mir nicht erzählen, dass du dich nicht jetzt schon freust, wenn sie vor Neid grün anlaufen, sobald du den Ring blitzen lässt. Gib es ruhig zu, Charmaine!«
    Sie war ein bisschen errötet, weil sie nicht lügen mochte, und John hatte leise gelacht.
    Beim Frühstück war Frederic ausgesprochen melancholisch. Auch Mercedes wirkte sehr nachdenklich, während sie ihren neugeborenen Sohn auf dem Schoß schaukelte. George aß wie immer tüchtig und sagte wenig, und hinter der Küchentür waren schniefende Geräusche zu hören. Nur die Mädchen plapperten aufgeregt, weil sie mit ihrem Bruder verreisen und eine neue Welt kennenlernen durften, von der sie bisher nur gehört hatten. Wenn sie zu Hause bleiben müssten, würde das Haus sicherlich vor Geheule erbeben, dachte Charmaine.
    Marie wurde unruhig, doch bevor Charmaine aufstehen konnte, trat Frederic an die Wiege. Mit ihrem Einverständnis nahm er seine Enkeltochter heraus und setzte sie auf seinen Schoß. »Ihr müsst sie mir bald wiederbringen«, sagte er.
    »Das tun wir ganz bestimmt«, versprach Charmaine, doch Frederics Blick war auf John gerichtet.
    »Keine Sorge, Vater«, beruhigte ihn John. »Charmaine wird schon dafür sorgen, dass wir bald wieder nach Hause kommen. Spätestens im Herbst sind wir wieder da.«
    »Im Herbst?«, protestierte Yvette lautstark. »Aber wir wollen nach New York fahren und Schnee sehen! Im Herbst regnet es hier doch immer.«
    John schmunzelte. »Normalerweise gibt es in New York vor Januar oder Februar selten Schnee. Im Winter fahren wir auf jeden Fall hin. Vielleicht möchte Vater uns ja begleiten.«
    »Wirklich nicht«, widersprach der alte Mann. »Von dieser Stadt habe ich für mein
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