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Die Macht der Drei

Titel: Die Macht der Drei
Autoren: Hans Dominik
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den Boden. Traumhaft, nebelhaft kam dem Verletzten das Bewußtsein zurück. Vor seinen geschlossenen Augen gaukelten Gestalten wirr durcheinander.
    Cyrus Stonard, den er verraten, stand vor ihm und blickte ihn mit Verachtung an. Wandelte sich dann in die Gestalt William Bakers und wandte ihm mit der gleichen Verachtung den Rücken.
    Immer dichter, immer zahlreicher wurden die Gestalten, Menschen, die er vor langen Jahren bekämpft, verraten, verdorben hatte. Sie tauchten aus dem dämmernden Nebel, blickten ihn an und verschwanden wieder.
    Dr. Glossin versuchte der Traumbilder Herr zu worden. Mit verzweifelter Anstrengung zwang er sich zum Denken.
    »Ich habe mich schlecht getroffen… Stockender Puls… Delirium der beginnenden Auflösung…«
    Seine Gedanken verjagten den Spuk. Alle diese huschenden, blinkenden und anklagenden Gestalten verschwanden. Nur ein matter blasser Nebel blieb ihm vor den Augen.
    Die Zeit verrann. Der Sterbende wußte nicht mehr, ob es Sekunden oder Jahrhunderte waren.
    Der Nebel begann zu wallen. Eine neue Gestalt bildete sich in ihm.
    Glossin sah zwei Augen, die ihn ruhig anblickten, ihm so wohlbekannt schienen, ihn an lange vergangene Zeit erinnerten.
    Der wallende Nebel verdichtete sich. Formte Gesichtszüge um die einsamen Augen. Eine hohe Stirn, einen blonden Bart.
    So hatte Gerhard Bursfeld vor dreißig Jahren ausgesehen. Jetzt trat auch die ganze Gestalt hervor. Im weißschimmernden Tropenanzug, den er damals im Iran trug.
    Glossin suchte sich der Erscheinung zu entziehen. »Ich muß die Augen aufmachen, dann wird alles verschwinden.«
    Mit unendlicher Mühe versuchte er die Lider zu heben, glaubte, daß es ihm gelungen sei. Er empfing einen Eindruck des Raumes, der Pfeiler und Fenster. Aber die Gestalt Gerhard Bursfelds verschwand nicht. Sie wurde nur undeutlicher, bald durchsichtig, so daß die Möbel des Raumes hinter der Gestalt wie durch einen Schleier zu erkennen waren.
    Und dann eine zweite Gestalt neben der ersten. Die Gesichtszüge bis auf den Bart die gleichen. Die Augen dieselben. Fragend und anklagend.
    Silvester Bursfeld, so wie ihn Dr. Glossin das letzte Mal sah, als R. F. c. 2 im Feuer des Strahlers schmolz.
    Die Gestalt des Sohnes neben der des Vaters. Deutlicher, weniger durchsichtig. Der Vater an ein altes, schon verblaßtes Bild gemahnend, der Sohn in den frischen Farben des Lebens. Sich umschlingend, standen die beiden Gestalten vor ihm.
    Glossin fühlte, wie sein Leben entfloh. Er machte keine Anstrengung, es zu halten. Er sehnte sich fort von allen quälenden Bildern und Erinnerungen in ein Land des Vergessens, des Nichtswissens.
    Die beiden Gestalten blieben. Eine dritte trat hinzu. Die braune Figur eines Inders. In dem dunklen Antlitz standen groß und strahlend die Augen, ruhten mit bannender Gewalt auf dem Sterbenden.
    Nun war es, als ob Atma, der Inder, alle Gedanken Glossins mitfühlte, als ob beide Gehirne zu einem verschmölzen.
    Stärker wurde die Sehnsucht des Sterbenden nach wunschloser Ruhe.
    »Du suchst das Nirwana. Du bist ihm fern.«
    Kein Wort war im Raum gefallen, und doch hatte Dr. Glossin den deutlichen Eindruck der Worte:
    »Die Stunde ist gekommen.«
    Laut sprach Atma die Worte.
    Das stockende Blut begann wieder zu fließen, und mit dem roten Strom entwich das Leben. Ein Seufzer, ein letztes Zucken. Auch Glossin war in das dunkle Land gegangen, aus dem es keine Wiederkehr gibt.
    *

Professor Raps saß in seinem Arbeitszimmer. Eine Anzahl von Dokumenten und Berichten bedeckte den großen Schreibtisch. Weiße Foliobogen lagen vor ihm. Die Feder ruhte in der schreibenden Hand.
    Doch er kam nicht weit mit dem Schreiben. Seine Züge verrieten höchste geistige Anspannung. Seine Rechte bewegte die Feder, warf einige Zeilen in der großen charakteristischen Schrift auf das weiße Papier, um dann wieder mit dem Schreiben zu stocken.
    Er legte die Feder beiseite und griff nach einem Schriftstück, nahm ein zweites und drittes dazu. Überflog, las und verglich. Und dann plötzlich wichen die Falten, die seine Stirn furchten. Ein Leuchten der Befriedigung glitt über seine Züge… ein leiser Ruf entrang sich seinen Lippen: »So ist’s!«
    *

Tiefatmend lehnte er sich in den Sessel zurück und deckte die Hand über die Augen. Noch einmal ließ er die Glieder der Kette, die er in angestrengter Arbeit aneinandergereiht hatte, vor sich vorüberziehen.
    Das erste Glied! Ein Bericht der Sternwarte von Halifax, datiert von dem gleichen Tage, an dem der
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