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Die Liste

Die Liste

Titel: Die Liste
Autoren: John Grisham
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Ich hatte einen Tisch bei »Grisanti’s« reserviert, einem der bekanntesten Restaurants von Memphis. Wir aßen Lasagne und mit Ziegenkäse gefüllte Ravioli und unterhielten uns prächtig. Es gelang ihr, ihre Vorurteile gegen gekauftes Essen abzulegen, und um sie vor der Sünde zu bewahren, bestand ich darauf, die Rechnung zu übernehmen.
    Wir wollten gar nicht mehr weg aus Memphis. Für ein paar Stunden waren wir der Angst vor dem Unbekannten und dem zermürbenden Warten entkommen. Clanton schien tausend Kilometer entfernt zu sein, und trotzdem war es noch zu nah. Als wir am späten Abend zurück-fuhren, stellte ich fest, dass ich unwillkürlich immer langsamer wurde.
    Wir sprachen nicht darüber, aber in Ford County war ein Mörder unterwegs. Miss Callies Name stand auf seiner Liste. Wenn es nicht schon zwei Tote gegeben hätte, wäre es einfach unglaublich gewesen.
    Baggy hatte mir erzählt, dass es in diesem Jahrhundert noch keinen unaufgeklärten Mord im County gegeben habe. Ich hatte es in den Archiven der Times nachgeprüft.
    Fast jeder gewaltsame Tod war ein impulsiver Akt gewesen, bei dem ein Zeuge die rauchende Waffe in der Hand des Täters gesehen hatte. Verhaftung, Verhandlung und Urteil waren stets auf dem Fuß gefolgt. Doch jetzt lag ein sehr kluger und sehr vorsichtiger Killer auf der Lauer, und seine potenziellen Opfer waren allen bekannt. Für eine derart gesetzestreue, gottesfürchtige Stadt war so etwas unvorstellbar.
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    Bobby, Al, Max und Leon versuchten wiederholt, Miss Callie dazu zu bewegen, für einen Monat oder länger bei einem von ihnen zu wohnen. Sam und ich, selbst Esau unterstützten sie in ihren Bemühungen, aber Miss Callie wollte nicht nachgeben. Sie sei ein Kind Gottes, und Er halte seine schützende Hand über sie.
    In neun Jahren verlor ich Miss Callie gegenüber nur ein einziges Mal die Beherrschung. Es war auch das einzige Mal, dass sie mich zurechtwies. Es ging darum, dass sie einen Monat nach Milwaukee zu Bobby ziehen sollte.
    »Diese großen Städten sind gefährlich«, hatte sie gesagt.
    »Kein Ort ist jetzt so gefährlich wie Clanton«, hatte ich erwidert.
    Später war ich laut geworden, und sie hatte gesagt, dass sie meinen Mangel an Respekt ihr gegenüber ganz und gar nicht gutheißen könne. Ich hatte sofort den Mund gehalten.
    Als wir an jenem Abend die Grenze zu Ford County überquerten, warf ich einen Blick in den Rückspiegel. Ich kam mir albern dabei vor, aber vielleicht war meine Angst ja berechtigt. Das Haus der Ruffins wurde von einem Deputy bewacht, der seinen Streifenwagen auf der Straße geparkt hatte. Auf der Veranda saß ein Freund von Esau.
    »Es war eine ruhige Nacht«, sagte Esaus Freund. Anders ausgedrückt, es war niemand erschossen worden.
    Sam und ich spielten noch eine Stunde Dame auf der Veranda. Miss Callie zog sich in ihr Schlafzimmer zurück.
    Das Warten ging weiter.
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    m Jahr 1979 fanden in Mississippi Kommunalwahlen statt, m
    I
    eine dritten als registrierter Wähler. Sie verliefen erheblich ruhiger als die letzten beiden. Für den Sheriff war kein Gegenkandidat aufgestellt worden, was es in der Geschichte des County noch nie gegeben hatte. Es wurde gemunkelt, dass die Padgitts einen neuen Kandidaten gekauft hätten, aber nach dem Debakel bei Dannys Haftentlassung hatten sie wohl einen Rückzieher gemacht. Senator Theo Mortons Gegenkandidat kam mit einer Anzeige zu mir, auf der in Großbuchstaben stand: WARUM HAT SENATOR MORTON DANNY
    PADGITT AUF BEWÄHRUNG FREIGELASSEN?
    WEGEN GELD! Ich hätte die Anzeige gern gedruckt, hatte aber weder Zeit noch Energie für eine Verleumdungsklage.
    Im Vierten Bezirk stellten sich gleich dreizehn Kandidaten zur Wahl, aber ansonsten verliefen die Wahlen recht träge. Das County war auf die Morde an Fargarson und Teale fixiert und fragte sich, wer wohl das nächste Opfer war. Sheriff McNatt, die Ermittler der Staatspolizei und die Kriminaltechniker des Bundesstaates waren sämtlichen Spuren und Hinweisen nachgegangen. Wir konnten nur warten.
    Als der 4. Juli näher rückte, war deutlich weniger Begeisterung für die alljährlichen Festlichkeiten zu spüren.
    Obwohl sich fast alle sicher fühlten, hing eine dunkle Wolke über dem County. Es gab immer wieder Gerüchte, dass etwas passieren werde, wenn sich die Bürger Clantons am 4. Juli um das Gerichtsgebäude versammelten. Allerdings hatte es in der Stadt noch nie so viele 458

    Gerüchte gegeben wie in diesem Juni.

    Am 25. Juni unterschrieb ich
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