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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman
Autoren: PeP eBooks
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die Morten tröstete. Sie hob den Kopf, um seinen Blick einzufangen, und sah, wie ein schwarzer Schatten über sein Gesicht zog. Sein Brustkorb hob sich mit einem tiefen Schluchzer, ehe er beide Hände um ihren Kopf und das kurze, zerwühlte Haar legte und sie fest an sich drückte.
    Hilflosigkeit.
    Das war es, was sie in seiner Stimme gehört hatte. Die totale Ohnmacht, die er immer dann fühlte, wenn etwas sie packte und ihm wegnahm.
    »So etwas«, sagte er und hielt sie so fest, dass es wehtat, »so etwas darfst du nie wieder tun.«

SEPTEMBER

    Das Mehl war in der ganzen Küche verteilt. Es klebte auf dem Küchentisch, auf dem Boden, am Wasserhahn und in Form von mehligen Fußspuren auf dem Boden in der Diele.
    »Was macht ihr denn da?«, fragte Morten und stellte die Tasche mit seinem Laptop ab.
    »Pasta!«, antwortete Anton hingerissen und hielt einen gelbweißen, mehligen Streifen in die Luft. »Guck mal!«
    Himmel hilf, dachte er. Nina hatte offenbar einen ihrer periodischen Häuslichkeitsanfälle. Dann konnte sie sich nicht damit zufriedengeben, einen »normalen Kuchen« aus einer Fertigbackmischung zu machen. Mit Schrecken erinnerte er sich noch an das halbe Bio-Kalb, das eines Tages auf ihrem Küchentisch gelegen hatte. Die Wohnung hatte den ganzen Tag wie eine Schlachthalle ausgesehen, während Nina zerlegte, zerschnitt, eintütete und einfror - oder es zumindest versuchte. Es endete damit, dass sie etwas mehr als die Hälfte an seine Schwester in Greve weiterverkauften, die eine größere Gefriertruhe hatte.
    Jetzt stand Nina mit hektisch geröteten Wangen in der Küche und produzierte Ravioli mit einer Maschine, von der er nicht einmal wusste, dass sie sie besaßen.
    »Super«, sagte er geistesabwesend zu Anton.
    »Hey«, sagte Nina. »Was haben sie gesagt?«
    »Esben fährt diesmal raus. Im Gegenzug musste ich ihm versprechen, die nächste Tour zu übernehmen, am 23. voraussichtlich.«

    Der normale Dienstplan sah vor, dass Morten alle sechs Wochen für 14 Tage auf die Bohrinsel fuhr, aber dieses Mal hatte er um Aufschub gebeten. Am liebsten hätte er mit der Familie Urlaub gemacht. Er hatte sich sogar bereits eine Woche freigenommen. Doch Nina wollte nicht.
    »Was ich jetzt brauche, ist eine große Dosis Alltag«, hatte sie gesagt.
    Immerhin hatte er sie überreden können, mit ihm zu Magnus zu fahren, damit er ihr die Platzwunde am Haaransatz nähen, ihren übel zugerichteten Schädel abtasten und sie zu detaillierteren Untersuchungen ins Krankenhaus überweisen konnte.
    »Du hast dir auf alle Fälle eine Gehirnerschütterung eingefangen«, sagte Magnus, als er ihr in die Augen leuchtete. »Und wie du selbst ganz genau weißt, müssen wir sichergehen, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Verdammt noch mal, was hast du dir dabei gedacht?« Er sah Morten an. »Wenn noch mal so etwas passiert, musst du dafür sorgen, dass sie nicht einschläft. Im Schlaf kann man schnell in ein lebensbedrohliches Koma hinübergleiten, ohne dass es irgendjemand mitbekommt.«
    Morten nickte mit trockenem Mund. Und obgleich die Krankenhausärzte später den Verdacht auf einen Schädelbasisbruch und andere schwerwiegende Verletzungen ausschlossen, hatten sich Magnus’ Worte in ihm festgefressen. Es verging eine Woche, ehe er wieder entspannt neben Nina liegen und schlafen konnte. Fast wie damals, als die Kinder noch klein waren und er zwischendurch immer wieder in ihr Zimmer geschlichen war, um sich zu vergewissern, dass sie noch atmeten.
    Nicht ganz zwei Wochen später ging sie wieder zur Arbeit. Und er hatte den starken Verdacht, dass die Operation Ravioli in hohem Maße als Beweis gedacht war, dass sie es schaffte,
Arbeit und Familie zu bewältigen. Und trotzdem noch Energie übrig zu haben. Dass sie wieder da war.
    Er hätte ihr so gerne gesagt, dass das nicht nötig war. Dass sie seinetwegen gerne schlecht gelaunt und müde sein und sich für die einfachere Lösung entscheiden durfte. Wenn sie etwas beweisen wollte, dann jedenfalls nicht mit der großen Pasta-Meisterschaft.
    Er sah sie zu lange an. Ließ sich wie so oft fangen von der Lebendigkeit und der Intensität ihres Blickes. Er hatte einmal ein Stück Dolerit gefunden, dessen sturmgraue Farbe ihn derart an Ninas Augen erinnert hatte, dass er den Stein von Grönland bis nach Hause geschleppt hatte.
    »Stimmt was nicht?«, fragte sie.
    »Nein.«
    Sie streckte die Hände zur Seite, um sein Bürohemd nicht mit Mehl zu verschmieren, und gab ihm einen Kuss.
    »Wir
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