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Die Liebe ist ein Daemon

Die Liebe ist ein Daemon

Titel: Die Liebe ist ein Daemon
Autoren: Dorotea de Spirito
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sie nicht geöffnet, aber richtig geschlossen sind sie auch nicht. Engel wie wir, pardon, wie sie (die also, die alle Teile an der richtigen Stelle haben) laufen nicht durch die Gegend und zeigen jedem ihre Federn. Auch aus diesem Grund ist es nicht schwierig, bei Bedarf ganz »normal« auszusehen.
    »Also, was wollen wir machen?«, fragt er mich. »Heute ist der letzte Ferientag, es sollte schon etwas Besonderes sein.«
    »Ja, ich weiß schon   … Hast du eine Idee?«
    »Wir könnten uns in einen Zug setzen und irgendwohin fahren. In der Stadt ist nicht gerade viel los.«
    »Vielleicht könnten wir nach Rom fahren, aber für einen Tagesausflug ist es jetzt schon fast zu spät.«
    »Du hast recht, wir müssten woandershin fahren   …«
    Wir suchen eine Zeit lang selbstvergessen nach einer Inspiration, bis jedem von uns klar wird, dass es nicht mehr viele Alternativen gibt.
    »Wecken wir Ginevra?«, schlage ich vor.
    »Super Idee.«
    Ginevra ist meine beste Freundin und sie ist mit Lorenzo zusammen. Seit fast zwei Jahren sind die beiden ein Paar, aber die Situation ist viel komplizierter, als sie sein dürfte.
    Denn Ginevra ist kein Engel, sie ist ein Mensch.
    Es ist dumm, stumpfsinnig und überaus archaisch, aber Engel dürfen keine Liebesbeziehung zu Nicht-Engeln haben. So ist das Gesetz.
    Ginevra und Lorenzo sind mutig. Sie kümmern sich einfach |22| nicht um die Sticheleien und die abwertenden Blicke, die ihnen manchmal zugeworfen werden. Ich finde sie richtig stark und bewundernswert. Aber sie müssen immer gut aufpassen, wie sie sich verhalten, denn ihre Beziehung ist so etwas wie ein offenes Geheimnis.
    Es zerreißt mich jedes Mal, wenn wir zusammen spazieren gehen und ich sehe, wie sich ihre Hände leicht streifen und sich eigentlich fest drücken wollen, um dann plötzlich wieder auseinanderzugehen aus Angst davor, was irgendwelche Bekannte von ihnen denken könnten.
    Wir laufen die Treppe des alten
palazzo
hinunter und treffen auf zwei Engel, die sich an eine Säule gelehnt küssen.
    Lorenzo sieht sie neidisch an.
    »Kannst du dir vorstellen, was los wäre, wenn Ginevra und ich so etwas machen würden?«, fragt er und schüttelt traurig den Kopf.
    »Wahrscheinlich würden sie euch aus der Stadt jagen.«
    »Wenn es nur das wäre. Ich glaube, sie würden uns in einen Käfig sperren und uns dann über der
piazza
aufhängen.«
    Er reißt darüber auch noch Witze. Na ja, er versucht, Witze zu machen, aber in Wahrheit leidet er ziemlich, er will es nur nicht zeigen. Und selbst wenn es niemandem auch nur im Traum einfallen würde, sie über der
piazza
aufzuhängen, würde die Sache doch sicherlich nicht ohne Folgen bleiben.
    Wir treten aus der Haustür und werden vom Licht der Sonne geblendet.
    Ihre Strahlen verfangen sich in Lorenzos Haar, blitzen hier und dort auf und lassen es wie Brokat schimmern.
    |23| Das Viertel erstarrt, wenn mein Freund an einem Sonnentag das Haus verlässt, die ganze Stadt erstarrt und ich lache, denn auch nach all den Jahren fällt Lorenzos blendende Schönheit jedem auf.
    Das ist eigentlich gut so, denn die Leute sind so sehr damit beschäftigt, seiner Lichtgestalt auszuweichen, dass sie überhaupt nicht mehr auf mich achten. An meine unengelhaften braunen Wuschelhaare haben sie sich nämlich bis jetzt genauso wenig gewöhnen können wie an Lorenzos Rauschelocken.
    »Irgendwann werden sich die Vorschriften ändern«, sage ich, um ihn aufzuheitern. Er weiß, wovon ich spreche.
    »Tja, das hoffe ich auch«, seufzt er ohne große Überzeugung.
    Die Regel ist so alt wie diese Straßen, nein, noch älter. Sie ist so alt wie die Tuffsteinquader der etruskischen Grabstätten. Wir laufen in Jeans herum, wir tragen Handys und iPods in der Tasche und müssen uns immer noch solchen Gesetzen unterordnen? Das ist doch absurd.
    Vor allem trifft diese Regel auch in irgendeiner Weise auf mich zu und was bedeutet das? Ich, der Engel ohne Flügel, mit wem könnte ich jemals eine Liebesbeziehung haben? Mit einem Schuhschrank vielleicht?
    Es ist ein Mysterium.
    Ich möchte lieber nicht darüber nachdenken.
    Wir gehen die Straßen entlang und sind nach wenigen Minuten am Ziel.
    Ginevra lebt in einem
palazzo
in der Altstadt. Das Haus hat |24| eine prächtige Dachterrasse aus Stein, von der aus man über die Dächer und das nächste Tal blicken kann. Die Aussicht reicht bis über die Felder, die Viterbo kurz hinter der Stadtmauer umschließen.
    Ihre Mutter macht uns die Tür auf. Ginevra schläft
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