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Die Liebe der anderen

Die Liebe der anderen

Titel: Die Liebe der anderen
Autoren: Frederique Deghelt
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nach Hause. Bestimmt hat sie auch Youri abgeholt. Freudengeschrei schlägt mir bei meiner Rückkehr entgegen. Ich bin überrumpelt, verlegen, überwältigt.
    »Mama, Mama, kommst du mit uns spielen?«
    Noch nie wurde ich nach einer kurzen Trennung so überschwänglich von irgendwem empfangen. Die Kinderfrau, eine sanftmütige Afrikanerin, weist mich darauf hin, dass die Bügelarbeit erledigt ist, und fragt, ob sie gehen kann. Wenigstens das habe ich erreicht. Bügeln habe ich schon immer gehasst, und 1988 hatte ich noch niemanden, der das für mich übernahm. Ich schob es so lange vor mir her, bis ich keine Wahl mehr hatte, weil der Wäschekorb überquoll und ich nichts mehr anzuziehen hatte. Erfüllt von einer plötzlichen Unbeschwertheit beschließe ich, meine Nachforschungen zu unterbrechen, und folge den Kindern in ihr Zimmer. Obwohl ich hier wohne, habe ich Angst, sie könnten Verdacht schöpfen, wenn ich in den Schränken und Schubladen herumwühle.
    Mit der Nachmittagspost erreicht mich die Nachricht, dass mein Arbeitslosengeld bewilligt wurde. Die Behörde teilt mir den Tagessatz mit, den ich allerdings, wegen meiner üppigen Abfindung, erst in zwei Monaten erhalten werde. Finanziell scheine ich mir keine Sorgen machen zu müssen. Aber im Moment ist es ohnehin viel wichtiger, dass ich lerne, wie man zwei Personen auf dem Rücken transportiert, die eine Burg angreifen wollen. Nach einigen Stunden im Weltraum sind wir zum Mond geflogen, haben vier Teddygeschichten gelesen, uns Tee mit Keksen gegönnt, eine Pyramide gebaut, das Motorrad repariert und alle Puppen im Schlafanzug zu Bett gebracht. Dann dreht sich ein Schlüssel im Schloss. Dem geliebten Papa werden dieselben Ovationen zuteil wie mir. Als er im Türrahmen des Kinderzimmers erscheint, sieht er mich überrascht an.
    »Waren die Kinder noch nicht in der Wanne, oder hast du sie wieder angezogen?«
    »Nein!«, rufen sie wie aus einem Munde. »Wir waren noch nicht baden. Wir haben die ganze Zeit gespielt und tolle Sachen gemacht … Und jetzt haben wir einen Bärenhunger!«
    »Was gibt es denn Feines zum Abendessen?«
    Schlagartig wird mir klar, was Familienleben bedeutet. Natürlich habe ich gesehen, wie die Mütter unter meinen Freundinnen rotieren: das Baden überwachen, das Essen für die Kleinen zubereiten, und auch der Gatte will verköstigt werden. Nichts von alldem ist heute Abend im Hause de Las Fuentes geschehen. Es ist fast halb neun, die Kinder sind hungrig und verdreckt. Ich bitte Pablo, die kleinen Rabauken kurz abzuduschen, derweil improvisiere ich einen Imbiss. Irgendwie werde ich das Abendessen schon retten, ich komme schließlich nicht umsonst aus einer Feinschmeckerregion. Und solange er mit den beiden zugange ist, habe ich Zeit, über eine Frage nachzudenken, die mich schon seit heute Morgen quält: Soll ich Pablo offen sagen, was mit mir los ist? Oder soll ich ihm verschweigen, dass ich durchgeknallt bin, und sehen, wie ich allein damit fertig werde?
    Während Pablo mit Duschen an der Reihe ist, bekommen die Kinder ihr Abendessen, und wir amüsieren uns so lautstark, dass er, nur mit einem Handtuch um die Hüften, in der Küche auftaucht, um herauszufinden, was uns so heiter stimmt. Nichts, fast nichts. Bloß etwas Käse in den Nudeln, klebriger Käse, der sich endlos in die Länge zieht. Kurze Zeit später bringen wir die Kinder ins Bett und beginnen mit dem Einschlaf-Ritual. Als ich das Zimmer verlassen will, ruft Youri in der Dunkelheit nach mir.
    »Mama, noch einen Kuss. Bitte. Du bist die coolste Mama der Welt.«
    Lola wartet, bis ich wieder in der Küche bin, um sich noch etwas zu trinken und einen extra Gute-Nacht-Kuss zu holen und zu fragen, ob ich sie an ihrem »Teburtstag« mit richtigem, echtem »Stippenlift« schminke. Als ich Anstaltenmache, ihr die Windel anzuziehen, die ich auf einem Regal bereitgelegt habe, kichert sie und sagt:
    »Ich bin doch kein Baby mehr. Wann kommt Zoé wieder, Mama?«
    Ich habe keine Ahnung, wer diese Zoé sein soll. Vielleicht ein Hundewelpe oder der Babysitter?
    »Das weiß ich nicht, mein Schatz, wenn du morgen von deiner langen Reise ins Traumland zurückgekehrt bist, sehen wir weiter.«
    Es ist schwierig, wenn man nicht weiß, welche Wörter man verwenden soll. Sind es dieselben, die ich früher gebrauchte, oder andere, die ich ebenfalls vergessen habe? Die Kinder sind zu schlau, als dass mein Geist Ruhe fände. Den ganzen Abend über haben sie mich neugierig gemustert. Sicher spüren sie,
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